1 Allgemeines

1.1 Zweck der Vorschrift

 

Rz. 1

Die Vorschrift knüpft an § 8 Abs. 3 an, die die grundlegende Unterscheidung zwischen Einkommenserzielung und Einkommensverwendung im Körperschaftsteuerrecht enthält. Faktoren, die zum Bereich der Einkommenserzielung gehören, beeinflussen das Einkommen positiv oder negativ und verändern daher die Steuerlast. ­Dagegen darf der Bereich der Einkommensverwendung das Einkommen, und damit letztlich die Steuerlast, nicht berühren. Nach der grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers in § 8 Abs. 3 gehören Vermögensübertragungen auf den Gesellschafter auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage zu dem Bereich der Einkommensverwendung, dürfen also das Einkommen und damit die Steuerlast nicht mindern.

Diese Trennung von Einkommenserzielung und Einkommensverwendung führt zu Abgrenzungsschwierigkeiten, da nicht alle Beziehungen der Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern zum Bereich der Einkommensverwendung gehören. Vielmehr kann die Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern auch Beziehungen auf betrieblicher Grundlage unterhalten, die zum Bereich der Einkommenserzielung gehören. Diese Beziehungen können in allen schuldrechtlichen Vertragstypen bestehen (insbesondere Kauf, Dienst-/Werkvertrag, Arbeitsvertrag, Miete, Pacht, Darlehen).

Zu unterscheiden sind daher Beziehungen zu den Gesellschaftern auf betrieblicher, schuldrechtlicher Grundlage, die der Einkommenserzielung dienen und Auswirkungen auf Einkommen und Steuerlast haben, und solchen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, die Einkommensverwendung sind und Einkommen und Steuerlast daher nicht mindern dürfen. Dieser Abgrenzung dient das Institut der verdeckten Gewinnausschüttung (vgl. hierzu Anh. zu § 8). Die verdeckte Gewinnausschüttung ordnet bestimmte Beziehungen zu Gesellschaftern, die dem Anschein nach schuldrechtlichen, betrieblichen Charakter tragen und daher zu der Sphäre der Einkommenserzielung zu gehören scheinen, entsprechend ihrem verborgenen, tatsächlichen Charakter als gesellschaftsrechtliche Beziehungen der Sphäre der Einkommensverwendung zu.

 

Rz. 2

Mit der Einführung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens ab Veranlagungszeitraum 1977 hat sich aber, neben der verdeckten Gewinnausschüttung, eine weitere Gruppe von Fallgestaltungen entwickelt, bei denen die Beziehungen zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter der Wertung nach zum Bereich der Einkommensverwendung gehören, die aber nach dem Charakter der Beziehung (nicht nur dem Anschein nach, wie die verdeckte Gewinnausschüttung), schuldrechtlicher Natur sind und daher zum Bereich der Einkommenserzielung gehören. Mit diesen Fallgestaltungen soll die Benachteiligung der Nichtanrechnungsberechtigten im körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren umgangen werden.

Gewinnausschüttungen an Anrechnungsberechtigte unterliegen, infolge der Anrechnung der bei der Anrechnungskörperschaft eingetretenen Ausschüttungsbelastung, dem persönlichen Steuersatz des Anteilsinhabers. Gewinnausschüttungen an Nichtanrechnungsberechtigte führen demgegenüber zum Definitivwerden der Ausschüttungsbelastung. Diese von den Nichtanrechnungsberechtigten als diskriminierend empfundene Rechtsfolge hat zu Vermeidungsstrategien geführt. Nichtanrechnungsberechtigte sind dazu übergegangen, der Anrechnungskörperschaft, an der sie beteiligt sind, das erforderliche Kapital nicht mehr in vollem Umfang als Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, sondern in zunehmendem Maße als Fremdkapital (Darlehen, partiarisches Darlehen, typische stille Beteiligung; Genußrechte). Diese Fremdfinanzierung war für den ausländischen Anteilseigner günstig, wenn die Steuerbelastung auf die Vergütungen in seinem Heimatland niedriger war als die in der Bundesrepublik auf Gewinnausschüttungen lastende Steuerbelastung (Ausschüttungsbelastung und Kapitalertragsteuer, Vermögen- und Gewerbesteuer). Ermöglicht wurde diese Gestaltung durch die Rechtsprechung des BFH, wonach es den Gesellschaftern grundsätzlich freisteht, ob sie ihre Kapitalgesellschaft durch Eigen- oder durch Fremdkapital finanzieren wollen (vgl. dazu Rz. 8). Während Vergütungen für Eigenkapital Gewinnausschüttungen sind und daher als Teil der Einkommensverwendung das Einkommen und damit die Steuerlast nicht mindern dürfen, gehören Vergütungen für Fremdkapital (Zinsen) zur Sphäre der Einkommenserzielung und mindern Einkommen und Steuerlast. Das gilt selbst dann, wenn das Fremdkapital von den Gesellschaftern zur Verfügung gestellt worden ist. Nichtanrechnungsberechtigte haben durch diese Gestaltungen im Inland steuerlich belastete Vergütungen für Eigenkapital in im Inland steuerlich unbelastete Vergütungen für Fremdkapital umqualifiziert.

 

Rz. 3

Diese Gestaltungen haben schon sehr bald Versuche des Gesetzgebers und der Verwaltung hervorgerufen, diese als ungerechtfertigt empfundene Umqualifizierung zu unterbinden (im einzelnen zur Rechtsentwicklung vgl. Anm. 7 f.). Das Institut der verdeckten Gewinnausschüttung war hierzu nicht ausreichend, da Vergütungen für Gesellschafter-Fremdkap...

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