Rz. 529a

Die Vorschrift ruft aus mehreren Gründen Bedenken gegen ihre Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgebot nach Art. 3 GG hervor. Sie enthält ein Sonderrecht für die Organschaft, obwohl die gleiche Problematik des doppelten Abzugs von Verlusten auch bei nicht organschaftlich gebundenen Unternehmen auftreten kann.

 
Praxis-Beispiel
  • Die inl. A-AG unterhält eine Betriebsstätte in einem Staat, mit dem kein DBA besteht. Diese Betriebsstätte erleidet Verluste. Diese Verluste sind doppelt abziehbar, nämlich im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht im Ausland und im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KStG greift nicht ein.
  • Wie Fall 1, die A-AG ist aber zusätzlich Organträger der inl. X-GmbH. Jetzt sind die Verluste aus der ausl. Betriebsstätte nicht abziehbar, obwohl die Organschaft insoweit keine Auswirkungen hat.
  • Die gleiche Situation ergibt sich, wenn die A-Ltd. ihren Sitz im Ausland, ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Erzielt sie inl. oder ausl. Verluste, sind diese im Rahmen der jeweiligen unbeschränkten Steuerpflicht im Inland und im Ausland, also doppelt, abzugsfähig. Ist die A-Ltd. Organträger oder Organgesellschaft, soll das nicht mehr gelten. In diesem Fall wären sogar die inl. Verluste nicht mehr abzugsfähig, wenn der ausl. Staat diese Verluste wegen des Fehlens eines DBA in seine unbeschränkte Steuerpflicht einbezieht.
  • Die A-GmbH ist Tochtergesellschaft einer amerikanischen Muttergesellschaft und erleidet Verluste. Aufgrund der "Check-the-box-Regelung" in den USA wird die A-GmbH in den USA als transparent besteuert und die Verluste werden im Rahmen des weltweiten Anrechnungsverfahrens dort berücksichtigt. Es erfolgt eine Doppelberücksichtigung von Verlusten, ohne dass ein Bezug zu einer Organschaft besteht. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KStG schließt das nicht aus.

Diese Beispiele zeigen, dass eine doppelte Verlustberücksichtigung ohne Organschaft in gleicher Weise möglich ist wie bei Bestehen einer Organschaft, ohne dass der Gesetzgeber dies zum Anlass nimmt, eine entsprechende Regelung zu schaffen. Unternehmen, die Organträger oder Organgesellschaft sind, werden daher im Vergleich zu anderen Stpfl., die dies nicht sind, ungleich behandelt.[1] Diese Ungleichbehandlung ist rechtfertigungsbedürftig.[2]

 

Rz. 530

Ein weiterer wesentlicher systematischer Einwand gegen die Vorschrift besteht darin, dass nicht danach unterschieden wird, ob die doppelte Berücksichtigung der Verluste gerechtfertigt ist oder nicht. Ein "double dip" ist nur dann bedenklich und daher als unfaire Steuergestaltung zu bekämpfen, wenn nicht auch die entsprechenden Gewinne doppelt besteuert werden. Werden sowohl Gewinne als auch Verluste, z. B. wegen Anwendung der Anrechnungsmethode, zweimal berücksichtigt, ist die doppelte Verlustberücksichtigung nur vorläufig, da sie bei der später eintretenden doppelten Gewinnberücksichtigung korrigiert wird. Insbesondere dann, wenn im ausl. Staat die per-country-limitation oder per-item-limitation gilt, ist sichergestellt, dass Verluste nur abgezogen werden, wenn auch eine vergleichbare Besteuerung von Gewinnen erfolgt.[3] Es bleibt nur ein Zinseffekt.[4] Wollte der Gesetzgeber diesen Effekt ausschließen, wäre eine Beschränkung des Verlustabzugs auf positive Einkünfte gleicher Art aus dem gleichen Staat, mit Rück- und Vortragsmöglichkeit, das geeignete Mittel gewesen. Dass eine solche Regelung technisch möglich ist, zeigt § 2a EStG. Eine entsprechende Regelung enthält auch die US-amerikanische dual consolidated loss-Gesetzgebung.[5] Ein generelles Verlustabzugsverbot ist für diese Fälle systemwidrig und übermäßig. Die Vorschrift verstößt wegen der Nichtberücksichtigung von negativem Einkommen, aber der Besteuerung des entsprechenden positiven Einkommens, gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Sie verstößt darüber hinaus gegen das Übermaßverbot, weil sie den Verlustabzug nicht als Rücktrag oder Vortrag von Einkünften derselben Art zulässt. Das Fehlen eines intertemporären Verlustabzugs ohne ausreichende Rechtfertigung hat das BVerfG[6] für verfassungswidrig erklärt.

 

Rz. 531

Im Gesetzgebungsverfahren ist die Problematik der Ungleichbehandlung vergleichbarer Fälle offensichtlich nicht erkannt und nicht diskutiert worden. Der Gesetzgeber hat eine Vorschrift erlassen, die undifferenziert sachlich berechtigte und unberechtigte Verlustberücksichtigungen erfasst und damit zu ungerechtfertigten Doppelbesteuerungen führen kann. Die Begründung der Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hamburg, dass Verluste selbstverständlich nicht doppelt abgezogen werden könnten, weil auch Gewinne nicht doppelt besteuert würden, offenbart eine so offensichtliche Unkenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten, dass die schlechte Qualität der Steuergesetzgebung schon nicht mehr verwundert. Es wird in dieser Begründung nicht einmal ein Fall genannt, in dem Verluste doppelt abgezogen werden können, Gewinne aber nur einmal versteuert werden. Im Gegent...

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