Rz. 372

Das AktG geht davon aus, dass auch bei Ergebnisabführungsverträgen der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt. Das bedeutet, dass die Parteien des Ergebnisabführungsvertrags grds. die Möglichkeit haben, den Umfang der Gewinnabführung selbst zu bestimmen. Aus aktienrechtlichen Grundsätzen, insbes. wegen der Erhaltung des Grundkapitals und des Gläubigerschutzes bestimmt § 301 AktG jedoch eine Höchstgrenze für die Gewinnabführung. Danach kann höchstens der ohne den Gewinnabführungsvertrag entstehende Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um die Zuführung zu der gesetzlichen Rücklage, sowie vermindert um den Betrag, für den nach § 268 Abs. 8 HGB eine Ausschüttungssperre besteht, abgeführt werden. Dementsprechend wird ein zu übernehmender Verlust nicht um den Betrag nach § 268 Abs. 8 HGB vermindert.[1] Dagegen fehlt eine ausdrückliche Bestimmung über die Mindestabführung. Das bedeutet, dass zwar der ganze ausgewiesene Gewinn der Organgesellschaft abgeführt werden muss, dass dieser Gewinn aber durch Bildung freier Gewinnrücklagen gemindert sein kann und daher die Gewinnabführung entsprechend gemindert wird. Eine gänzlich andere Frage ist jedoch, ob eine solche Rücklagenbildung steuerrechtlich schadet.[2]

 

Rz. 373

Mit dem Ausdruck Jahresüberschuss in § 301 AktG, der, korrigiert um Verlustabzug und Zuführung zu den gesetzlichen Rücklagen, die Höchstgrenze für die Gewinnabführung darstellt, verweist das Gesetz auf die §§ 266, 275 HGB. Der "ganze" Gewinn ist daher nach den handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften zu ermitteln. Steuerrechtliche Abweichungen sind insoweit ohne Bedeutung. Das bedeutet, dass steuerliche Mehrergebnisse, bei denen das Steuerrecht vom Handelsrecht abweicht, nicht von der handelsrechtlichen Gewinnabführung erfasst werden, ohne dass dies die steuerliche Anerkennung des Gewinnabführungsvertrags beeinträchtigt.

 

Rz. 374

Nach § 275 Abs. 2 Nr. 20, Abs. 3 Nr. 19 HGB ist der Jahresüberschuss der nach Abzug der betrieblichen Aufwendungen verbleibende Überschuss der betrieblichen Einnahmen. Allerdings ist nach dem Schema des § 275 HGB bereits der aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrags abgeführte Gewinn abgezogen worden, sodass der Jahresüberschuss der Organgesellschaft nur den um die Gewinnabführung verminderten Überschuss ausweisen wird. § 301 AktG bestimmt daher, dass bei der Errechnung des abzuführenden Gewinns die Gewinnabführung selbst noch nicht berücksichtigt sein darf. Der so definierte Jahresüberschuss zeigt daher das tatsächliche Ergebnis der Wirtschaftsperiode der Organgesellschaft.

 

Rz. 375

Daraus, dass der Jahresüberschuss nach § 301 AktG den Höchstbetrag des abzuführenden Gewinns darstellt, ergibt sich zwingend, dass Gewinnrücklagen, die vor Abschluss des Ergebnisabführungsvertrags gebildet wurden, also vorvertragliche Rücklagen, nicht abgeführt werden dürfen. Damit würde der Höchstbetrag überschritten, der Ergebnisabführungsvertrag wäre nicht durchgeführt. Grund dieser Regelung ist der Schutz der abhängigen Gesellschaft und etwaiger Minderheitsgesellschafter. Es soll verhindert werden, dass die abhängige Gesellschaft durch den Gewinnabführungsvertrag ausgehöhlt wird. Das gilt für alle vorvertraglichen Gewinnrücklagen, gleichgültig, ob es sich um freie oder gesetzliche[3] Rücklagen handelt, sowie für einen vorvertraglichen Gewinnvortrag.[4] Da die Auflösung der vorvertraglichen Rücklagen und ihr Ausweis als abzuführender Jahresüberschuss einen fehlerhaften Bilanzansatz darstellt, kann dieser Fehler nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4–6 KStG geheilt werden.[5] Nach der Heilung gilt der Ergebnisabführungsvertrag als tatsächlich durchgeführt.

 

Rz. 376

Die gleichen Wirkungen wie bei der Abführung vorvertraglicher Rücklagen treten ein, wenn Aufwendungen der Organgesellschaft, z. B. KSt, andere Steuern, nichtabziehbare Ausgaben, Aufsichtsratsvergütungen, mit einer vorvertraglichen Rücklage verrechnet werden[6], da das abzuführende Ergebnis der Organgesellschaft dadurch erhöht wird. Vorvertragliche Kapital- oder Gewinnrücklagen dürfen auch nicht mit einem vom Organträger zu übernehmenden Verlust verrechnet werden. Die Verrechnung einer vorvertraglichen Rücklage mit einem während des Laufs des Ergebnisabführungsvertrags eingetretenen Verlust der Organgesellschaft kommt einer Abführung der vorvertraglichen Rücklage gleich und ist organschaftsschädlich.[7] Für die Heilungsmöglichkeit gelten die Ausführungen in Rz. 375 entsprechend.

 

Rz. 377

Vorvertragliche Rücklagen können gegen den Gewinn aufgelöst und an die Anteilseigner ausgeschüttet werden. Entsprechend können sie für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln genutzt und diese Beträge durch spätere Kapitalherabsetzung an die Anteilseigner ausgekehrt werden. Es ist auch möglich, eigene Anteile gegen vorvertragliche Rücklagen einzuziehen.[8]

 

Rz. 378

Bei der Frage, ob Rücklagen, die während der Laufzeit des Ergebnisabführungsvertrags gebildet worden sind, also nachvertragliche Rücklagen, diesem Abführungsverb...

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