Rz. 64

Das Institut der Organschaft kommt mit der steuerlichen Zusammenfassung von verbundenen Unternehmen zu einem "Steuerverbund" der Idee eines Konzernsteuerrechts näher als z. B. die verdeckte Gewinnausschüttung und die verdeckte Einlage. Die Organschaft führt dennoch nicht zu einem echten Konzernsteuerrecht. Defizite bestehen insbes. in folgenden Bereichen[1]:

  • Notwendigkeit eines Ergebnisabführungsvertrags[2];
  • keine konsolidierte Besteuerung, insbes. keine Zwischengewinneliminierung;
  • Gewinnrealisierungstatbestände bei konzerninternen Übertragungen, insbes. von Einzelwirtschaftsgütern; dadurch Behinderung konzerninterner Restrukturierungen;
  • Begrenzung auf Inlandsgesellschaften[3];
  • keine ausreichende Verlustberücksichtigung (insbes. Auslandsverluste, vororganschaftliche Verluste); Untergang der Verluste bei Umwandlungen;
  • Untergang der Verluste beim "Umhängen" der Beteiligung im Konzern; inzwischen z. T. entschärft durch § 8c Abs. 1 S. 5 KStG;
  • konzerninterne Hinzurechnungen bei der Zinsschranke und der GewSt; für die Organschaft entschärft;
  • erhebliche Komplexität der Regelungen, insbesondere bei den steuerlichen Ausgleichsposten;
  • keine Möglichkeit einer Mehrmütterorganschaft;
  • systematisch bedenklich ist das Fehlen eines umfassenden Organschaftskonzepts, das gleichermaßen für Ertragsteuern, GewSt, USt und GrESt gilt.
 

Rz. 65

Insgesamt erscheint das Organschaftsrecht reformbedürftig.[4] Dabei kommt der Druck für eine Anpassung aus 2 Richtungen, nämlich der Entwicklung in Nachbarstaaten, insbes. Österreich, und dem europäischen Recht. Verglichen mit den großzügigeren Rechtsordnungen anderer Staaten gerät die deutsche Organschaftsregelung ins Hintertreffen.

 

Rz. 66

International können die verwendeten Gruppenbesteuerungssysteme wie folgt zusammengefasst werden[5]:

  • System der steuerlichen Vollkonsolidierung: Hierbei wird ein Gruppenergebnis aufgrund einer voll konsolidierten Gruppenbilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ermittelt und bei der Obergesellschaft besteuert. Dieses System gilt in den Niederlanden, jedoch ohne Konsolidierung, sondern mit unmittelbarer Zurechnung der Aktivitäten der Tochtergesellschaften bei der Muttergesellschaft.[6]
  • System der Zusammenrechnung der Einzelergebnisse: Bei diesem System werden die Ergebnisse der Gruppengesellschaften für jede Gesellschaft eigenständig ermittelt, der Gruppenobergesellschaft zugerechnet und dort besteuert. Dieses System gilt in Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Spanien und, mit der Besonderheit der Notwendigkeit des Ergebnisabführungsvertrags, in Deutschland.
  • System der konzerninternen Verlustübertragung: Dieses System kommt in 2 Varianten vor, wobei die Gesellschaften der Gruppe jeweils steuerlich selbstständig bleiben. In der ersten Variante können Verluste einer Gruppengesellschaft auf eine andere Gruppengesellschaft übertragen werden, sodass sie nur bei der übernehmenden, nicht bei der übertragenden Gesellschaft abziehbar sind. Dieses System besteht in Großbritannien, Irland, Lettland, Litauen, Malta und Zypern. Bei der zweiten Variante wird die Verlustübernahme durch Ausgleichszahlungen erreicht, die bei der zahlenden Gesellschaft Betriebsausgaben, bei der Verlustgesellschaft Betriebseinnahmen sind. Dies ist der Fall in Finnland, Norwegen und Schweden.
 

Rz. 67

Österreich hat sein Konzernsteuerrecht den modernen Entwicklungen angepasst. Dabei verzichtet es auf den Ergebnisabführungsvertrag, der durch einen "Gruppenantrag" und eine Steuerausgleichsvereinbarung ersetzt wird. Damit ist Deutschland[7] der einzige Staat, der die Voraussetzung eines Ergebnisabführungsvertrags kennt. Außerdem ist in Österreich eine weltweite Verlustverrechnung über die Grenze, allerdings beschränkt auf die "erste Ebene", also Tochtergesellschaften, zulässig. Die Verlustverrechnung über die Grenze ist gekoppelt mit einer entsprechenden Nachversteuerung bei späteren Gewinnen, wenn im Ausland eine Verrechnung dieser Gewinne mit den vorhergehenden Verlusten möglich ist. Diese Nachversteuerungsregelung scheint aber der schwache Punkt der Gruppenbesteuerung zu sein, da sie Vermeidungsstrategien herausfordert.[8] Außerdem besteht eine 50 %ige Abschreibung auf den Firmenwert bei Erwerb von Anteilen an inl. Gruppengesellschaften.[9]

 

Rz. 68

Ein umfassendes Reformmodell hat das Institut Finanzen und Steuern vorgestellt.[10] Als wesentliche Probleme der gegenwärtigen Organschaftsregelungen wurden 3 Problemkreise herausgearbeitet, nämlich der Formalismus des Gewinnabführungsvertrags, die Komplexität der Mehr- und Minderabführungen sowie die Binnenorientierung der Organschaft. Der Reformvorschlag sieht vor, auf den Gewinnabführungsvertrag zu verzichten. Dieser wird ersetzt durch einen gemeinsamen Antrag von Gruppenträger und Gruppengesellschaften mit mindestens 5-jähriger Bindung. Die Mindestbeteiligungsquote wird auf 75 % angehoben. Kernstück des Vorschlags ist die Einführung besonderer Konten bei Gruppengesellschaft und Gruppenträger. Auf den Konten der G...

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