1 Systematik und Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist durch Gesetz v. 7.12.2006[1] mit Wirkung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2005 enden, eingeführt worden und ersetzt § 12 KStG a. F. Die bisherige Fassung der Vorschrift enthielt nur einige punktuelle Regelungen, deren systematische Einordnung unklar war. Gegenstand von Abs. 1 war die Regelung der Sitzverlegung, die jetzt in umfassenderer Form in Abs. 1 für eine Sitzverlegung in EU- bzw. EWR-Staaten und in Abs. 3 für eine Sitzverlegung in Drittstaaten enthalten ist. Abs. 2 der bisherigen Fassung regelte die Folgen der Verlagerung von Betriebsstätten ins Ausland; diese Bestimmung ist durch die Neuregelung in Abs. 1 bzw., soweit es sich um Umwandlungsvorgänge in der EU bzw. dem EWR handelt, durch das UmwStG ersetzt worden. Die inl. steuerlichen Auswirkungen von Umwandlungsvorgängen in Drittstaaten erfasst jetzt Abs. 2. Diese Regelung ist anwendbar auf Vorgänge, die nach dem 12.12.2006 zur Eintragung in das maßgebende Register angemeldet worden sind.

 

Rz. 2

Die Bedeutung der Neuregelung besteht, neben der Anpassung der Regelung an die FRL, in einer umfassenden Regelung der sog. Entstrickung. Bisher enthielt das Gesetz keinen allgemeinen Gewinnrealisierungstatbestand. Es gab lediglich einzelne Tatbestände, bei deren Vorliegen ein Gewinn auszuweisen und zu versteuern war, etwa die Gewinnrealisierung infolge eines Umsatzakts am Markt aufgrund des Realisationsprinzips, infolge einer Entnahme, infolge einer verdeckten Einlage oder infolge der Betriebsaufgabe. Die Entstrickung, d. h. die Verlagerung einzelner steuerverstrickter Wirtschaftsgüter in das Ausland, wodurch diese der Besteuerung im Inland entzogen werden, wurde regelmäßig von keinem dieser Gewinnrealisierungstatbestände erfasst. Für den Bereich der natürlichen Personen hatte der BFH zwar die "finale Entnahmelehre" vertreten[2], wonach eine gewinnrealisierende Entnahme immer dann vorliegt, wenn die stillen Reserven in dem Wirtschaftsgut der Besteuerung entzogen zu werden drohen. Abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken gegen diese Rspr., die den Begriff "Entnahme" überspannt und einen im Gesetz nicht enthaltenen Gewinnrealisierungstatbestand eingeführt hat, ist das Institut der Entnahme, und damit der "finale Entnahmebegriff", auf Körperschaften nicht anwendbar. Für Körperschaften gab es daher keinen Gewinnrealisierungstatbestand bei Überführung von einzelnen Wirtschaftsgütern.

Rz. 3 einstweilen frei

 

Rz. 4

Somit existierte, jedenfalls im Bereich des KSt-Rechts, kein Gewinnrealisierungstatbestand, der eingreifen konnte, wenn die besonderen Gewinnrealisierungstatbestände, insbesondere Veräußerung und (offene und verdeckte) Einlage, nicht vorlagen. Für die Fälle der Entstrickung ohne Verwirklichung eines besonderen Gewinnrealisierungstatbestands konnte es daher nicht zu einer Gewinnrealisierung und damit zum Ausweis eines stpfl. Gewinns kommen. Andererseits bedurfte es für diese Fälle eines eigenständigen Gewinnrealisierungstatbestands, um zu verhindern, dass in Deutschland in einem Wirtschaftsgut (insbes. bei selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern, wie Patenten, aber auch hinsichtlich des Firmenwerts) angesammelte stille Reserven durch Überführung in eine ausl. Betriebsstätte in einem niedrig besteuernden Staat der deutschen Besteuerung entzogen werden. Die §§ 7ff. AStG i. V. m. § 20 Abs. 2 AStG schützten das deutsche Besteuerungsrecht gegen eine solche Verlagerung nicht, wenn die Überführung in eine Betriebsstätte mit aktiver Tätigkeit erfolgen kann.

 

Rz. 5

Die Lösung des Problems durch das SEStEG[3] besteht darin, dass für natürliche Personen und für Körperschaften jeweils ein eigenständiger Entstrickungstatbestand geschaffen wurde. Für natürliche Personen enthält § 4 Abs. 1 S. 3ff. EStG einen an die Entnahme angelehnten Besteuerungstatbestand, der an den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik anknüpft und eine Entnahme fingiert. Für Körperschaften, auf die die Regelungen über die Entnahme nicht anwendbar sind, wird in § 12 KStG ein entsprechender Gewinnrealisierungstatbestand eingefügt, der die Überführung von Wirtschaftsgütern (Abs. 1), die Verschmelzung nach ausl. Recht (Abs. 2) und die Sitzverlegung (Abs. 3) behandelt. Die Entstrickung wird dabei in Abs. 1 als fiktive Veräußerung bzw. Überlassung eingeordnet, die mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist. Das Gesetz erfasst damit lückenlos alle Fälle der Entstrickung und kommt dabei zur Gewinnrealisierung und damit zur Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven.

 

Rz. 5a

Da in der Literatur (Rz. 24) Bedenken geäußert und diese anschließend von der Rspr.[4] geteilt wurden, ob § 12 KStG die Funktion als Entstrickungstatbestand bei Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts erfüllen kann, ist die Vorschrift insoweit durch Gesetz v. 8.12.2010[5] durch Einfügung eines neuen Satzes 2 in Abs. 1 ergänzt worden, die die entstandenen Zweifel beseitigen soll. Die Neuregelung soll nach § 34 Abs. 8 S. 2 KStG für alle Fälle g...

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