Rz. 28

§ 11 KStG verwendet zwei unterschiedliche Begriffe, den Begriff "Zeitraum der Abwicklung" (kurz: Abwicklungszeitraum) und den Begriff "Besteuerungszeitraum". Diese Begriffe sind – wie bereits dargelegt – nicht identisch und müssen daher voneinander abgegrenzt werden.

 

Rz. 29

Der Abwicklungszeitraum ist m. E. aus dem Handelsrecht abzuleiten und muss in seiner Beziehung zur Abwicklung gesehen werden. Der Abwicklungszeitraum beginnt mit der Auflösung der Gesellschaft und endet mit dem tatsächlichen und rechtlichen Abschluss der Abwicklung, d. h. mit der Auskehrung des Schlussvermögens an die Anteilseigner, dem Ablauf des Sperrjahrs[1] und dem Erlöschen der Körperschaft nach der Schlussverteilung. Erlischt die Körperschaft nicht, weil noch (unbekanntes) Vermögen vorhanden ist und daher später eine Nachtragsliquidation erforderlich wird, hat der Abwicklungszeitraum nicht geendet, sondern umfasst auch den Zeitraum der Nachtragsliquidation.

 

Rz. 30

Die Abwickler bzw. Liquidatoren einer aufgelösten Kapitalgesellschaft haben für den Beginn der Abwicklung eine Eröffnungsbilanz aufzustellen.[2]  Für die Bilanzierung gelten die allgemeinen Regelungen des HGB, d. h. dass keine besondere Rechnungslegung erfolgt und keine stillen Reserven aufzudecken sind.[3]

 

Rz. 31

Die Liquidationseröffnungsbilanz ist auf den Tag vor Beschlussfassung aufzustellen. Handelsrechtlich kommt es mithin zu einem Rumpfwirtschaftsjahr. Darüber hinaus besteht handelsrechtlich die Verpflichtung zur Aufstellung von Jahresabschlüssen im jährlichen Turnus fort. Für Zwecke der Besteuerung bedeutet dies, dass die handelsrechtlichen Abschlüsse nicht oder nur eingeschränkt für die Erstellung der Liquidationssteuererklärung herangezogen werden können. Ist in der Gesellschaft indes nur noch wenig oder kein Vermögen vorhanden, können die Abschlüsse zumindest als Grundlage der Steuerermittlung herangezogen werden.

 

Rz. 31a

Das Rumpfwirtschaftsjahr gilt auch für Zwecke des Ertragsteuerrechts und ist ein vom Abwicklungszeitraum abzugrenzendes eigenständiges Wirtschaftsjahr, welches den allgemeinen Regelungen zur Besteuerung unterliegt.[4] Das Rumpfwirtschaftsjahr ist als letztes der Auflösung vorangegangenes Wirtschaftsjahr anzusehen, sodass der Beginn des Besteuerungszeitraums und des Abwicklungszeitraums zeitlich mit dem Beginn der Abwicklung zusammenfallen.

 

Rz. 32

Die Finanzverwaltung lässt dem Steuerpflichtigen indes ein Wahlrecht, ob dieser ein Rumpfwirtschaftsjahr bilden und dieses gesondert der Besteuerung unterwerfen möchte (bei unterjährigem Eintritt der Liquidation "kann" ein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet werden).[5]

 Fraglich ist, welche Rechtsgrundlage für ein solches Wahlrecht besteht. Einerseits wird vom BFH vertreten, dass steuerlich zwingend ein Rumpfwirtschaftsjahr entsteht, sodass gerade keine Rechtsgrundlage hierfür vorhanden ist.[6]

 Andererseits könnte argumentiert werden, dass die Finanzverwaltung eine sachliche Billigkeitsregelung anwendet.[7]

 M.E. ist die erste Auffassung die zutreffende, da nur eine "freiwillige" Umstellung des Wirtschaftsjahres der Zustimmung der Finanzbehörden bedarf. Sofern ein Rumpfwirtschaftsjahr zwingend auf Basis gesetzlicher Vorschriften entsteht, muss für die steuerrechtliche Anerkennung dieses Wirtschaftsjahres gerade nicht die Zustimmung des Finanzamts eingeholt werden.

 

Rz. 33

Sofern das Wahlrecht nicht ausgeübt wird, der Steuerpflichtige also von der Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres absieht, ist fraglich, ob der Zeitraum vom Beginn des Wirtschaftsjahres bis zum Beginn des Abwicklungszeitraums mit in die Dreijahresfrist des § 11 Abs. 1 KStG fällt.[8]

 M.E. bezieht sich die Dreijahresfrist des § 11 Abs. 1 S. 2 KStG rein auf den Abwicklungszeitraum, d. h. das ggf. mit einzubeziehende Rumpfwirtschaftsjahr (bzw. nur steuerrechtliche nicht gebildete handelsrechtliche Rumpfwirtschaftsjahr) ist auf diesen Zeitraum nicht anzurechnen. Grund hierfür ist, dass ein entsprechendes Wahlrecht zum Einbezug dieses Zeitraums einer gesetzlichen Grundlage entbehrt und daher den Wortlaut der Regelung nicht suspendieren kann.[9]

 

Rz. 34

Da das Rumpfwirtschaftsjahr aufgrund der handelsrechtlichen Regelung zwingend entsteht, ist für die Bildung die Zustimmung des FA nach § 4a Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG nicht erforderlich. Sollte diese dennoch eingeholt werden, besteht eine Ermessensreduzierung auf Null, das Finanzamt hat zuzustimmen.

 

Rz. 35

Der Besteuerungszeitraum ist wiederum abzugrenzen vom (handelsrechtlichen) Wirtschaftsjahr der Körperschaft. Eine Kapitalgesellschaft hat nach § 270 Abs. 1 AktG bzw. § 71 Abs. 1 GmbHG während der Abwicklung auf den Schluss eines jeden Jahrs einen Jahresabschluss aufzustellen. Entsprechendes gilt nach den §§ 87, 33 GenG für die Genossenschaft. Es gelten also weiterhin Geschäftsjahre, auf deren Ende Bilanzen aufzustellen sind. Diese Geschäftsjahre sind dann nach § 7 Abs. 4 S. 1 KStG auch gleichzeitig die Wirtschaftsjahre.

 

Rz. 36

Soweit der verlängerte dreijährige Besteuerungszeitraum reicht, haben diese Wir...

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