Rz. 13

Die GewSt ist eine direkte Steuer (Steuerschuldner = Träger der Steuer). Mangels Harmonisierung in diesem Bereich sind die Mitgliedstaaten in der Ausgestaltung der direkten Steuern grundsätzlich frei.[1] Allerdings müssen die Mitgliedstaaten die von den europäischen Grundfreiheiten (Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 EG, Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 EG, Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 56 EG) gesteckten Grenzen einhalten. Die Europarechtswidrigkeit der GewSt kann sich daher aus einem Verstoß gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags ergeben. Ein solcher Verstoß liegt aber nach zutreffender Auffassung des BFH bei der derzeitigen Ausgestaltung der GewSt nicht vor.[2] Da im Bereich der direkten Steuern keine Harmonisierung erfolgt ist und der einzelne Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung des EuGH insoweit frei ist, die Besteuerung im Rahmen der Grundfreiheiten zu regeln, ist es unerheblich, dass eine GewSt nicht in allen Mitgliedstaaten der EU erhoben wird. Auch aus der Tatsache, dass die GewSt die Ertragsteuerbelastung erhöht, ergibt sich kein Verstoß gegen die Grundfreiheiten. Aufgrund der fehlenden Harmonisierung steht die Höhe der Steuerbelastung im Ermessen der Mitgliedstaaten. Unerheblich ist insoweit, dass sich die Gesamtsteuerbelastung für den Unternehmer aus der ESt oder KSt und der GewSt ergibt.

Eine von den Grundfreiheiten verbotene Diskriminierung oder Beschränkung erfordert u. a. eine Schlechterbehandlung des internationalen Sachverhalts. Dies ist bei der GewSt, die nur auf den inländischen Gewerbebetrieb anwendbar ist, nicht allein durch die Erhebung der Fall. Insofern kann überhaupt nur eine – von den Grundfreiheiten nicht verbotene – Inländerdiskriminierung vorliegen.[3] Allerdings kann die Ausgestaltung der Gewerbesteuer zu einem Verstoß gegen die Grundfreiheiten führen.

 

Rz. 14

Die Belastung mit GewSt richtet sich u. a. nach der Höhe des Hebesatzes. Dieser wird von den Gemeinden autonom festgelegt. Auch nachdem der Gesetzgeber einen Mindestsatz von 200 % festgelegt hat[4], unterscheiden sich die Hebesätze der einzelnen Gemeinden teilweise erheblich. Der Hebesatz wird dabei i. d. R. als wirtschaftspolitisches Instrument benutzt, um die Ansiedlung von Gewerbebetrieben in der jeweiligen Gemeinde zu fördern. Bei steuerlichen Maßnahmen, die keine allgemeine Geltung haben, besteht stets die Gefahr, dass sie als "selektiv" i. S. d. Art. 87, Art. 88 EG anzusehen sind. Eine solche selektive Maßnahme kann eine Beihilfe sein, die grundsätzlich unzulässig ist. Die Selektivität könnte sich bei der GewSt daraus ergeben, dass der Hebesatz nur in dem Gebiet der jeweiligen Gemeinde anzuwenden ist, aber nicht innerhalb des gesamten Bundesgebiets.

Ob eine steuerliche Maßnahme selektiv ist, beurteilt sich danach, ob bestimmte Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, begünstigt werden.[5]

Die Vergleichbarkeit muss dabei nicht mit Bezug auf das gesamte Staatsgebiet gegeben sein.[6] Sie muss nur innerhalb des Zuständigkeitsgebiets der Körperschaft vorliegen, die für die zu überprüfende Regelung zuständig ist. Kann die Körperschaft die Steuerlast autonom bestimmen, liegt daher keine Beihilfe vor, wenn die Tarife für alle betroffenen Steuerpflichtigen gleich sind. Eine solche Gleichbehandlung aller GewSt-Pflichtigen innerhalb der Gemeinde ergibt sich durch den einheitlichen Hebesatz innerhalb der Gemeinde. § 16 Abs. 4 S. 1 GewStG schreibt die Einheitlichkeit des Hebesatzes innerhalb einer Gemeinde vor. Damit ist die GewSt mangels Selektivität innerhalb der Gemeinde keine Beihilfe.

 

Rz. 15

Bei den Bestrebungen der EU-Kommission, eine gemeinsame konsolidierte körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage (GKKB bzw. CCCTB) zu entwickeln, spielt die GewSt nur eine untergeordnete Rolle. Die gemeinsame Bemessungsgrundlage wird für die KSt entwickelt. Die GewSt steht dabei nicht im Fokus, da sie eine Sondersteuer ist, die nur in wenigen Mitgliedstaaten der EU erhoben wird. Sollte die GKKB eingeführt werden, könnte diese allerdings national auch auf die GewSt ausgedehnt werden.

Mithilfe der GKKB soll für internationale Konzerne ein einheitliches Konzernergebnis aus Tätigkeiten innerhalb Europas ermittelt werden. Dieses wird dann nach einem noch festzulegenden Schlüssel für KSt-Zwecke auf die einzelnen Staaten verteilt. Die GewSt wird bei diesem Aufteilungsschlüssel nicht berücksichtigt. Dadurch, dass Deutschland nicht nur den ihm zugewiesenen Anteil für KSt-Zwecke beansprucht, sondern daneben als zusätzliche Ertragsteuer die Gewerbesteuer erhebt, kann dieser Aufteilungsschlüssel faktisch unterlaufen werden.

[1] Z. B. EuGH v. 12.5.1998, C-336/96 (Gilly), DB 1998, 1381, ECLI:EU:C:1998:221, Rz. 24; EuGH v. 13.12.2005, C-446/03 (Marks & Spencer), BFH/NV Beilage 2006, 117, ECLI:EU:C:2005:763, Rz. 28; zuletzt EuGH v. 18.6.2009, C-303/07 (Aberdeen Property Fininvest Alpha Oy), BFH/NV 2009, 1361, ECLI:EU:C:2009:377, Rz. 23.

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