1 Systematische Einordnung

Bei der Abgrenzung der Einkünfte zwischen international verbundenen Unternehmen wird auf den Fremdvergleichsgrundsatz abgestellt. Hierbei ist zunächst ein tatsächlicher Fremdvergleich ("Fremdvergleich (tatsächlicher)") durchzuführen. Gibt es hingegen keine Vergleichswerte und sind Unterschiede zwischen bekannten und konzerninternen Transaktionen nicht durch Anpassungsrechnungen ausgleichbar, greift nachrangig der hypothetische Fremdvergleich.

2 Inhalt

Für die Durchführung des hypothetischen Fremdvergleichs hat die Fiktion der umfassenden Kenntnis nach § 1 Abs. 1 S. 3 AStG besondere Bedeutung.[1] Darin werden einerseits der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter und andererseits die Fiktion der umfassenden Kenntnis geregelt. Danach wird fingiert, dass jeder der Geschäftspartner über die Verhältnisse des anderen umfassend informiert ist. Aus dem Grundsatz des Fremdvergleichs ergibt sich jedoch, dass bei der Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs nur solche Informationen zugrunde gelegt werden können, über die fremde Dritte verfügen. Darüber hinausgehende Kenntnisse, die auf der gesellschaftsrechtlichen Verbindung zwischen den Vertragsparteien beruhen, können hingegen nicht berücksichtigt werden, ohne dass dies zu einem Verstoß gegen den abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz in Art. 9 Abs. 1 OECD-MA führen würde.

Das Gesetz regelt in § 1 Abs. 3 S. 7 AStG, dass wenn keine Vergleichswerte festgestellt werden, der hypothetische Fremdvergleich unter Beachtung der Sicht des Leistenden und des Leistungsempfängers anhand ökonomischer Bewertungsmethoden durchzuführen ist. Auf dieser Grundlage wird dann überlegt, wie fremde Dritte für eine solche Leistung eine Preisbestimmung vorgenommen hätten. Eine solche Vorgehensweise bedarf der Objektivierung, sofern nicht unangemessen große Gestaltungsspielräume eröffnet werden sollen. Hierbei ist ein Einigungsbereich zu ermitteln und zwischen den Parteien der Geschäftsbeziehung aufzuteilen.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen ordnet das Gesetz zwingend die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs an. Dass es sich hierbei nicht um ein Wahlrecht handelt, sondern um eine Pflicht, ergibt sich aus der Verwendung des Verbs "ist". Eine solche Vorgehensweise ist konsequent, wenn davon ausgegangen wird, dass es zwei grundsätzliche Ansätze zur Durchführung des Fremdvergleichs gibt und der tatsächliche Fremdvergleich nicht anwendbar ist. Auch diese Überlegung spricht dafür, die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des hypothetischen Fremdvergleichs auch auf die Fälle auszuweiten, in denen weder einschränkt noch uneingeschränkt vergleichbare Werte vorhanden sind.

Das Gesetz ordnet die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs an, ohne diesen Begriff zu definieren. Zwar werden im folgenden weitere Regelungen zur konkreten Vorgehensweise getroffen, doch erfolgt auch dort keine allgemeine Definition. Die Regierungsbegründung führt hierzu lediglich aus, dass durch den hypothetischen Fremdvergleich zu fingieren sei, welche Preise voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen vereinbart hätten. Nach dem insoweit eindeutigen Gesetzesauftrag sind beim hypothetischen Fremdvergleich die Regelungen des § 1 Abs. 1 S. 3 AStG zu beachten. Darin wird einerseits der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter und andererseits die Fiktion der umfassenden Kenntnis normiert.

Ausgangsidee ist die Bestimmung einer Preisuntergrenze des Leistenden und einer Preisobergrenze des Leistungsempfängers. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass unter fremden Dritten der Abschluss eines Geschäfts nur erfolgt, wenn diese hierin einen wirtschaftlichen Vorteil erblicken. Tritt ein solcher nicht – oder nicht in "ausreichendem" Umfang – ein, würde das Geschäft nicht abgeschlossen werden. Hieraus ergibt sich, dass zwischen der Preisuntergrenze des Leistenden und der Preisobergrenze des Leistungsempfängers ein positives Werteintervall liegen muss. Dieses wird vom Gesetzgeber als Einigungsbereich bezeichnet. Der Einigungsbereich drückt damit aus, was hypothetisch der eine Vertragspartner maximal und der andere Vertragspartner mindestens zu zahlen bereit gewesen wäre. Eine solche Betrachtung impliziert, dass es einen positiven Einigungsbereich nicht immer geben muss. Diesen Fall sieht der Gesetzgeber aber nicht vor.

Ergibt sich bei einem konzerninternen Geschäft kein positiver Einigungsbereich, so bedeutet dies, dass die Preisuntergrenze des Leistenden über der Preisobergrenze des Leistungsempfängers liegen muss. Unter fremden Dritten wäre ein solches Geschäft nicht zustande gekommen, weil entweder der Verkäufer die Leistung bzw. die Ware zu billig abgibt oder der Leistungsempfänger zu teuer einkauft. In einem solchen Fall ist evident, dass der Leistungsaustausch nur aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Einflussnahme erfolgt. Es sollte geprüft werden,

  1. warum diese Leistungsbeziehung dennoch zustande gekommen ist und
  2. ob ein Dritter...

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