Rz. 11

Für die Besteuerung einer Zweckzuwendung i. S. d. § 8 ErbStG durchbricht das ErbStG die allgemeine Besteuerungssystematik unentgeltlicher substanzieller Vermögensverschiebungen und normiert vor dem Hintergrund des Bereicherungsprinzips weitreichende Sonderregelungen, da Erwerbsvorgänge im Wege der Zweckzuwendung weder den Erwerber noch eine oder mehrere bestimmte andere Personen unmittelbar bereichern (Rz. 1 f.). Für die steuerliche Erfassung einer Zweckzuwendung muss zwischen der Vermögensverschiebung vom Zuwender auf den mit der Auflage oder Bedingung belasteten Erwerber einerseits und der Vermögensverschiebung in Erfüllung der Zweckwidmung andererseits unterschieden werden.[1]

 

Rz. 12

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG entsteht die Steuer bei einer Zweckzuwendung mit dem Eintritt der Verpflichtung des Beschwerten (§ 9 ErbStG Rz. 127). Diese Verpflichtung des Beschwerten tritt nach § 10 Abs. 1 S. 5 ErbStG als eigenständiger Besteuerungsgegenstand für die Zwecke der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs an die Stelle des ansonsten nach dem Bereicherungsprinzip üblichen Vermögensanfalls. Maßgebend ist der Vermögenswert, der dem Beschwerten für die Erfüllung des vom Zuwender bestimmten Zwecks zur Verfügung steht[2], wobei evtl. sachliche Steuerbefreiungen zu berücksichtigen sind.[3] Nach § 15 Abs. 1 ErbStG gilt stets die Steuerklasse III, womit für die Zweckzuwendung nach § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG ein Freibetrag i. H. v. 20.000 EUR zur Anwendung kommt. Steuerschuldner einer Zweckzuwendung unter Lebenden oder von Todes wegen ist nach § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG der mit der Ausführung der Zuwendung beschwerte Erwerber (§ 20 ErbStG Rz. 14a). Die beim Steuerschuldner infolge der Zweckwidmung eintretende Entreicherung wird dadurch berücksichtigt, dass der Wert der Zweckzuwendung bei einer Zuwendung von Todes wegen als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG angesetzt bzw. bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden unmittelbar über § 10 Abs. 1 ErbStG bereicherungsmindernd erfasst wird.[4]

 

Rz. 13

Eine finanzielle Belastung des infolge der Zweckwidmung nicht bereicherten Steuerschuldners wird regelmäßig dadurch vermieden, dass er nach h. M. berechtigt ist, die anfallende Steuer aus dem im Rahmen der Zweckzuwendung übertragenen Vermögen zu entrichten.[5] Problematisch ist der Fall, in dem nach ausdrücklicher Anordnung des Schenkers oder Erblassers der durch die Auflage oder Bedingung Beschwerte die Steuer auf die Zweckzuwendung nicht aus dem Vermögen bestreiten darf, das ihm zur Erfüllung des Zwecks zugewendet wurde. Muss der Beschwerte die Steuer aus sonstigem unentgeltlich übertragenen Vermögen bestreiten, erhöht sich mangels Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 ErbStG nicht die Bemessungsgrundlage der Steuer auf die Zweckzuwendung.[6]

 
Praxis-Beispiel

Ein Erbe ist im Rahmen einer Zuwendung von Todes wegen im Wert von 1 Mio. EUR mit einer Zweckzuwendung i. H. v. 50.000 EUR belastet, für die keine Steuerbefreiung in Anspruch genommen werden kann. Bezüglich der Zweckzuwendung ergibt sich nach Abzug des Freibetrags von 20.000 EUR[7] ein steuerpflichtiger Erwerb i. S. d. § 10 Abs. 1 S. 5 ErbStG i. H. v. 30.000 EUR. Aufgrund der Steuerklasse III[8] ermittelt sich bei einem Steuersatz von 30 %[9] eine Steuer von 9.000 EUR, mit der der Erbe als Steuerschuldner belastet ist.[10] Für die Erfüllung der Zweckzuwendung stehen nach Abzug der Steuer noch 41.000 EUR zur Verfügung. Die Bereicherung des Erben aufgrund seines Erwerbs von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i. H. v. 1 Mio. EUR mindert sich um die Zweckzuwendung von 50.000 EUR als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG.

[1] Vgl. Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 8 Rz. 3; Götz, ZEV 2012, 649; Schuck, in V/S/W, ErbStG, 2023, § 8 Rz. 12.
[3] Vgl. z. B. § 13 ErbStG.
[4] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 8 Rz. 2.
[5] Gl. A. z. B. Curdt, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 8 Rz. 14.
[6] Dazu auch § 10 ErbStG Rz. 65 ff.; krit. auch Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 8 Rz. 11; a. A. Curdt, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 8 Rz. 14.

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