Rz. 558

Die Auslegung des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG nach dem Wortlaut führt zu zum Teil grotesken Ergebnissen. Das sei an einigen Beispielsfällen demonstriert.

 

Beispiel 1

X und Y sind zu je 50 % an der XY-GmbH beteiligt. X leistet im Januar 2012 eine verdeckte Bareinlage i. H. v. 500.000 EUR. Y übereignet gegenleistungslos der GmbH Anfang Februar 2012 ein Wirtschaftsgut mit einem Zeitwert von 500.000 EUR. Legt man den Gesetzeswortlaut zugrunde, führen sowohl die verdeckte Bareinlage des X als auch die verdeckte Wirtschaftsguteinlage des Y zu einer Verwirklichung des Tatbestands des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG. Die Rechtsfolge ist die Fiktion einer "Schenkung", sodass beide Gesellschafter jeweils auf der Bemessungsgrundlage 500.000 EUR Schenkungsteuer bezahlen müssten. Geht man davon aus, dass X und Y die entsprechenden verdeckten Einlagen verbindlich verabredet hatten, sind beide Gesellschafter jedenfalls im Hinblick auf eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung der gegenseitig erbrachten Leistungen objektiv nicht bereichert. Hierzu wird die Auffassung vertreten[1], es sei keine steuerbare disquotale Leistung anzunehmen, wenn ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Gesellschafterleistungen und ein entsprechender Gesamtplan der Gesellschafter bestünde. Ergebnisorientiert ist dies sicherlich zutreffend, allein: Es fehlt an einer entsprechenden Einschränkung des Wortlautes, dass es auf eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung ankommt.[2] Dogmatisch läuft die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung auf das Erfordernis einer Abrede zwischen den Gesellschaftern hinaus, die aber im Wortlaut keine Stütze findet.

 

Beispiel 2

X und Y sind zu je 50 % an der XY-GmbH beteiligt. X verpflichtet sich gegenüber Y im Januar 2012, auf sein Geschäftsführergehalt in den nächsten 2 Jahren i. H. v. insgesamt 500.000 EUR zu verzichten. Y verpflichtet sich gegenüber X, ihm ein schlüsselfertig errichtetes Haus im Wert von 500.000 EUR innerhalb der nächsten 2 Jahre zu überlassen.

Auch in diesem Fallbeispiel ist nach dem Wortlaut § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG bezüglich der Leistungen des X an die GmbH einschlägig.[3] Dass Y dem X eine entsprechende Gegenleistung in dessen Privatvermögen erbracht hat, spielt nach dem Wortlaut keine Rolle. Das entsprechende Rechtsverhältnis zwischen den Gesellschaftern ist in Satz 1 nicht angesprochen, sodass erst recht die Gesamtplanüberlegungen[4] zwischen den Gesellschaftern ohne Wortlautstütze sind.

 

Beispiel 3

Die X-GmbH möchte möglichst effizient ihre Produktionsanlagen am Standort erweitern und dazu das benachbarte Grundstück von N erwerben. N, der den Mehrheitsgesellschafter X persönlich kennt, veräußert zum Marktpreis von 1 Mio. EUR. Da die X-GmbH unter erheblicher Verkürzung des Zeitaufwands im Vergleich zum Aufbau eines neuen Standorts ihre Produktion erhöhen kann, erhöht sich der Ertragswert der X-GmbH um 2 Mio. EUR.

Nach dem Wortlaut ergibt sich folgendes Ergebnis:

Es liegt eine Leistung des N vor, weil nach dem Wortlaut auch "entgeltliche" Leistungen erfasst sind. N ist als Nichtgesellschafter Zuwendender und wird erfasst. X ist als Gesellschafter Bedachter. Eine Werterhöhung der Anteile der Gesellschafter ist nach dem Ertragswertverfahren eingetreten[5], sodass als Rechtsfolge i. H. v. 1 Mio. EUR eine "Schenkung" fingiert wird.

 

Beispiel 4

X und Y sind zu je 50 % an der XY-GmbH beteiligt. Die Ehefrau des X hat der XY-GmbH ein Grundstück vermietet. Der Mietzins beträgt 200.000 EUR p. a. Der Betriebsprüfer stellt bei der Überprüfung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung fest, dass der angemessene Mietzins 300.000 EUR beträgt.

Zunächst ist im vorliegenden Fall zu diskutieren, ob die Ehefrau E an die XY-GmbH eine (gemischt) freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erbringt. Nach bisherigem Stand der Praxis stellt die verbilligte Vermietung keinen geeigneten Zuwendungsgegenstand i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Anders läge es, wenn die Ehefrau E der XY-GmbH ein unverzinsliches Darlehen überließe.

Der Tatbestand des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG ist gegenüber beiden Gesellschaftern X und Y erfüllt. Es spielt keine Rolle, dass E nur die Ehefrau des X ist und im Verhältnis zu Y ein fremder Dritter vorliegt. Der Wortlaut verlangt keine Bereicherungsabsicht des Dritten (Zuwendenden) gegenüber den (objektiv) Bedachten.

Abwandlung:

Da sich die XY-GmbH in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befindet, ist die Miete für die letzten 6 Monate nicht mehr bezahlt worden. Um die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft abzuwenden, verzichtet E auf den ausstehenden Mietzins von 100.000 EUR.

Nach dem Wortlaut erfüllt der Forderungserlass der E gegenüber der XY-GmbH zunächst den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegenüber der Kapitalgesellschaft. Des Weiteren ist § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG gegenüber X und Y einschlägig. Bei näherer Prüfung der freigebigen Zuwendung im Verhältnis zur XY-GmbH müsste die Entreicherung von Frau E ("auf Kosten"), d. h. die Werthaltigkeit ihrer Forderung, näher geprüft werden. ...

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