Rz. 27

Nach § 2106 Abs. 1 BGB tritt die Nacherbfolge mit dem Tod des Vorerben ein, sofern der Erblasser kein anderes Ereignis oder keinen sonstigen Zeitpunkt bestimmt hat. § 6 Abs. 2 ErbStG normiert die Besteuerung der Nacherbfolge in den Fällen, in denen diese mit dem Tod des Vorerben eintritt. Das ErbStG durchbricht dabei den zivilrechtlichen Regelungsansatz, wonach der Nacherbe vom Erblasser und nicht vom Vorerben erbt. § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG enthält den erbschaftsteuerrechtlichen Grundsatz, wonach der Nacherbe im Fall der Nacherbfolge durch den Tod des Vorerben den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern hat (Ausnahmen enthält § 6 Abs. 2 S. 2–5 ErbStG; Rz. 29 ff.). Diese gesetzliche Regelung enthält zum einen die Aussage, dass der Nacherbe "wie ein unbeschränkt eingesetzter Vollerbe behandelt wird".[1] Zum anderen bewirkt die Norm besteuerungstechnisch, dass sämtliche Besteuerungsmerkmale, die an die Person des Erblassers anknüpfen, durch die entsprechenden Besteuerungsmerkmale im Verhältnis zur Person des Vorerben ersetzt werden. So gilt für die Besteuerung des Nacherben z. B. die Steuerklasse nach dem Verhältnis zum Vorerben und nicht zum Erblasser.[2] Lediglich bezüglich des Umfangs des steuerpflichtigen Erwerbs in der Person des Nacherben spielt das Verhältnis zum Vorerben eine Rolle – maßgebend ist das Vermögen, das der Nacherbe vom Vorerben kraft angeordneter Nacherbfolge erwirbt.[3] Schafft der Nacherbe zu Lebzeiten des Vorerben und in Erwartung der Nacherbfolge z. B. durch Baumaßnahmen auf einem nachlasszugehörigen Grundstück Vermögenswerte, ist deren steuerliche Erfassung beim Nacherben bei Eintritt des Nacherbfalls ausgeschlossen, da der Nacherbe insoweit nicht bereichert ist.[4]

 

Rz. 28

In den Fällen, in denen neben dem Nachlass des Erblassers – d. h. dem Sondervermögen aus der Vorerbschaft – auch sog. freies Vermögen des Vorerben auf den Nacherben von Todes wegen übergeht, liegt unter konsequenter Anwendung des § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG insgesamt nur ein Erwerb im Verhältnis zwischen dem Vorerben und dem Nacherben vor.[5] Dies hat den steuerlichen Nachteil, dass nur ein Freibetrag – und zwar im Verhältnis zur Person des Vorerben – in Anspruch genommen werden kann und sich auch der Steuersatz nach dem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs insgesamt richtet.[6]

[1] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 6 Rz. 14.
[2] Gottschalk, in T/G/J/G, ErbStG, § 6 Rz. 86.
[3] BFH v. 10.5.1972, II 78/64, BStBl II 1972, 765; Curdt, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 6 Rz. 26.
[5] Curdt, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 6 Rz. 29.
[6] Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 6 Rz. 14.

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