Rz. 18

Der bloße Erwerb des Nacherbenanwartschaftsrechts mit Eintritt des Vorerbfalls unterliegt aufseiten des Nacherben nicht der Besteuerung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG). Steuerlich relevant sind jedoch u. U. die Fälle, in denen der Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalls auf sein Nacherbenanwartschaftsrecht zugunsten des Vorerben verzichtet bzw. dieses Recht im Wege der Abtretung auf einen Dritten überträgt.

2.3.1 Vorzeitige Herausgabe von Sondervermögen an den Nacherben

 

Rz. 19

Gibt der Vorerbe das der angeordneten Vor- und Nacherbfolge unterliegende Sondervermögen ganz oder teilweise bereits vor Eintritt des Nacherbfalls im Hinblick auf die angeordnete Nacherbschaft an den Nacherben heraus, gilt dies nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG als Schenkung unter Lebenden des Vorerben an den Nacherben.[1] Der Versteuerung dieses eigenständigen Erwerbsvorgangs ist nach § 7 Abs. 2 ErbStG auf Antrag das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen, wobei § 6 Abs. 2 S. 3–5 ErbStG entsprechend gilt.[2] Auch wenn durch die vorzeitige Übertragung von Vermögen vom Vorerben auf den Nacherben i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG dessen Nacherbenanwartschaftsrecht erlischt, stellt dies keine Gegenleistung dar, die die Bereicherung des Nacherben mindert.[3] Übernimmt der Erbe hingegen Verbindlichkeiten des Vorerben, stellt dies insoweit eine Gegenleistung dar, womit die steuerpflichtige Bereicherung des Nacherben nach den Grundsätzen der gemischten Schenkung (§ 7 ErbStG Rz. 330 ff.) zu ermitteln ist.[4]

2.3.2 Verzicht zugunsten des Vorerben

 

Rz. 20

Nach § 2142 Abs. 1 BGB kann der Nacherbe bereits mit Eintritt des Vorerbfalls aber noch vor Eintritt des Nacherbfalls die Nacherbschaft ausschlagen, was wirtschaftlich einem Verzicht auf das Nacherbenanwartschaftsrecht zugunsten des Vorerben gleichkommt, der damit zum Vollerben wird. Mit einem derartigen Verzicht wird jedoch kein steuerpflichtiger Erwerb verwirklicht, d. h. er begründet keine eigenständige unentgeltliche Zuwendung an den von der Ausschlagung bzw. vom Verzicht begünstigten Vorerben.[1]

 

Rz. 21

Zahlt der Vorerbe dem Nacherben ein Entgelt für den Verzicht auf das Nacherbenanwartschaftsrecht, kann die Abfindung nach Ansicht des BFH nicht als Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG bereicherungsmindernd beim Erwerb der Vorerbschaft als Erwerb durch Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG abgezogen werden.[2] Die Zahlung des Entgelts stellt aufseiten des abgefundenen Nacherben einen steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 bzw. 6 ErbStG dar.[3]

[1] Gottschalk, in T/G/J/G, ErbStG, § 6 Rz. 55ff.
[2] BFH v. 23.8.1995, II R 88/92, BStBl II 1996, 137; gl. A. Gottschalk, in T/G/J/G, ErbStG, § 6 Rz. 55.3.

2.3.3 Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts auf einen Dritten

 

Rz. 22

Überträgt der Nacherbe sein Nacherbenanwartschaftsrecht unentgeltlich auf einen Dritten, gelten die Grundsätze zur Ausschlagung der Nacherbschaft entsprechend (Rz. 20). Der Dritte tritt mit Abtretung des Nacherbenanwartschaftsrechts in die Rechtsposition des (vormaligen) Nacherben ein, womit angesichts des aufschiebend bedingten Erwerbs der Nacherbschaft in der Hand des Dritten (noch) kein steuerbarer Tatbestand verwirklicht wird.[1] Überträgt der Nacherbe sein Nacherbenanwartschaftsrecht hingegen gegen Entgelt auf einen Dritten, unterliegt der Nacherbe mit dem Entgelt der Erbschaftsbesteuerung, das gem. § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG als vom Erblasser zugewendet gilt.[2]

 

Rz. 23

Nach Ansicht des BFH verwirklicht der Dritte sowohl im Fall des unentgeltlichen als auch des entgeltlichen Erwerbs des Nacherbenanwartschaftsrechts mit Eintritt des Nacherbfalls einen Erwerb von Todes wegen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.[3] Da der Dritte mit Abtretung des Nacherbenanwartschaftsrechts in die Rechtsposition des (vormaligen) Nacherben eintritt, richtet sich die Besteuerung des Erwerbs aufseiten des Dritten hinsichtlich der Steuerklasse, des Steuersatzes und des persönlichen Freibetrags gemäß den allgemeinen Regeln nach § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG grds. nach dem Verhältnis des Dritten zum Vorerben (Rz. 25 ff.) bzw. nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG wahlweise auf Antrag nach dem Verhältnis des Dritten zum Erblasser (Rz. 29 ff.). Das Verhältnis des (vormaligen) Nacherben zur Person des Vorerben bzw. der Person des Erblassers spielt hingegen keine Rolle. Das vom Dritten zur Erlangung der Nacherbschaft aufgewendete Entgelt kann als sonstige Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG von seinem steuerpflichtigen Erwerb abgezogen werden.[4]

[1] Dazu auch Rz. ...

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