Rz. 27

Der in diesem Fall nur für steuerliche Zwecke benötigte "fiktive" Zugewinn ist unter Beachtung der zivilrechtlichen Regelungen (Rz. 13 ff.) zu ermitteln.[1] Hierzu sind jeweils das Anfangsvermögen und das Endvermögen eines Ehegatten gegenüberzustellen. Hierbei sind die Korrekturen des Anfangs- (Rz. 14) und Endvermögens (Rz. 16) zu beachten.

[1] Vgl. H E 5.1 (5) ErbStH 2019.

2.2.1 Nachweis des Anfangsvermögens

 

Rz. 28

Als problematisch erweist es sich in der Praxis, wenn keinerlei Nachweise über die Höhe bzw. den Umfang des jeweiligen Anfangsvermögens vorhanden sind. Steuerlich kann nämlich nicht auf die gesetzliche Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB verwiesen werden, wonach im Zweifel kein Anfangsvermögen vorhanden war.[1]

 

Rz. 29

Für den überlebenden Ehegatten nachteilig ist, dass eine als Beweismittel grundsätzlich denkbare eidesstattliche Versicherung des erstverstorbenen Ehegatten über sein Anfangsvermögen regelmäßig nicht vorhanden ist und nachträglich ja nicht mehr vorgelegt werden kann. Daher kommen hilfsweise andere Erkenntnisquellen (Aussagen von Familienangehörigen, Verwandten oder des Steuerberaters) in Betracht. Im Zweifel begnügt sich das FA mit einer (ggf. eidesstattlichen) Erklärung des überlebenden Ehegatten zum Anfangsvermögen des erstverstorbenen Ehegatten. Ferner kommt auch eine Schätzung dess FA in Betracht.[2]

[1] Meßbacher-Hönsch, in Wilms/Jochum, ErbStG, § 5 Rz. 89; Geck, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 5 Rz. 54.
[2] Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 5 Rz. 28.

2.2.2 Nominale Wertsteigerung

 

Rz. 30

Da das Anfangsvermögen im Laufe der Ehezeit allein aufgrund Inflation an Wert gewinnt, müssen auch für erbschaftsteuerliche Zwecke diese nur nominellen Steigerungen eliminiert werden.[1] Die Anwendung des laufend veröffentlichten Verbraucherpreisindexes führt zu geringeren steuerfreien Ausgleichsforderungen, was bei langer Ehedauer nachteilig sein kann.[2]

 

Rz. 31

Der auf allgemeiner Geldentwertung beruhende unechte Wertzuwachs des Anfangsvermögens ist aus der Berechnung der Ausgleichsforderung zu eliminieren, indem das Anfangsvermögen der Ehegatten mit dem Lebenshaltungskostenindex zur Zeit der Beendigung des Güterstands multipliziert und durch die für den Zeitpunkt des Beginns des Güterstands geltende Indexzahl dividiert wird. Es gilt die Formel:

 
Anfangsvermögen bei Beginn des Güterstands × Lebenshaltungskosten bei Beendigung des Güterstands
Lebenshaltungskosten bei Beginn des Güterstands
 

Rz. 32

Dies gilt auch in Fällen eines negativen Anfangsvermögens[3] Dabei ist das negative Anfangsvermögen in der gleichen Weise zu indexieren wie ein positives Anfangsvermögen.

 
Praxis-Beispiel

Bei Eheschließung 1964 hatte das Anfangsvermögen des Ende 2019 verstorbenen Ehegatten einen Wert von umgerechnet –180 000 EUR. Der um die allgemeine Geldentwertung bereinigte Wert des Anfangsvermögens ist wie folgt zu berechnen:

 
–180 000 EUR    ×    105,3   –729 000 EUR
26  
[2] Keller/Schrenck, NWB-EV 2010, 86, 90.

2.2.3 Berücksichtigung von Versorgungsansprüchen

 

Rz. 33

Stehen dem überlebenden Ehegatten Versorgungsansprüche zu, ist danach zu differenzieren, ob diese kraft Gesetzes oder aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter anfallen. Hinterbliebenenbezüge kraft Gesetzes unterliegen nicht der Erbschaftsteuer.[1]

 

Rz. 34

Hinterbliebenenbezüge, die auf einem Vertrag beruhen (z. B. Gesellschafts- oder Lebensversicherungsvertrag), sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtig. Für sie wird der Versorgungsfreibetrag (§ 17 ErbStG) gewährt.

 

Rz. 35

Für die Berücksichtigung vertraglicher Versorgungsansprüche bei der Ermittlung des Zugewinnausgleichsanspruchs ergeben sich aus der rechtlichen Beurteilung dieser Ansprüche Besonderheiten. Denn der Ehegatte erwirbt diese Ansprüche unmittelbar aus eigenem Recht. Sie fallen daher nicht in den Nachlass. Ausgehend von dieser erbrechtlichen Beurteilung war bislang unklar, ob diese dennoch in das Endvermögen fallen.[2] Nach Ansicht des BFH ist zumindest ein Pensionsanspruch des überlebenden Ehegatten im Rahmen der Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung sowohl beim Endvermögen als auch beim Anfangsvermögen des Erblassers zu berücksichtigen und beeinflusst damit im Ergebnis den Zugewinn des Erblassers nicht.[3] Ob dies aber auch für alle anderen steuerpflichtigen Versorgungs-/Hinterbliebenenbezüge gilt, ist weiterhin umstritten. Zu Recht wird auf einen Wertungswiderspruch hingewiesen, der sich nur lösen lasse, wenn steuerpflichtige wie steuerfreie Versorgungsbezüge stets bei der Ermittlung des Zugewinns dem Endvermögen des Erblassers zugerechnet wird.[4]

 

Rz. 36

Dagegen ist das Bezugsrecht aus einer Kapitallebensversicherung (Todesfallversicherung), das beim Tod des Versicherungsnehmers nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 der Erbschaftsteuer unterliegt, bei der Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung dem Endvermögen hinzuzurechnen.[5] Die Rente ist mit ihrem Kapitalwert nach § 14 BewG anzusetzen. Das Hinz...

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