1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 4 ErbStG regelt die Besteuerungsfolgen des Sonderfalls der sog. fortgesetzten Gütergemeinschaft i. S. d. §§ 1483 ff. BGB und ist angesichts der geringen Verbreitung des Güterstands der Gütergemeinschaft von einer sehr eingeschränkten praktischen Bedeutung. Da sich der Erwerb von Anteilen am Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft sowohl im Fall des Versterbens eines Ehegatten gem. § 1483 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB als auch im Fall des Versterbens eines anteilsberechtigten Abkömmlings gem. § 1490 S. 1 BGB in zivilrechtlicher Hinsicht außerhalb der regulären Erbfolge im Wege einer gesetzlich angeordneten güterrechtlichen Sonderrechtsnachfolge vollzieht, stellen entsprechende Erwerbe korrespondierend hierzu in erbschaftsteuerrechtlicher Hinsicht keine steuerpflichtigen Erwerbe durch Erbanfall i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar.[1] Um keine Besteuerungslücke entstehen zu lassen, erfasst § 4 ErbStG einen durch Tod ausgelösten Erwerb eines Anteils am Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft und unterwirft diesen als Ergänzungstatbestand zu den Erwerben von Todes wegen i. S. d. § 3 Abs. 1 ErbStG der Erbschaftsbesteuerung.[2] Die Norm regelt 2 Fallgruppen und unterscheidet danach, ob der Erwerb des Anteils am Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft nach § 4 Abs. 1 ErbStG durch den Tod des erstversterbenden Ehegatten[3] oder nach § 4 Abs. 2 ErbStG durch den Tod eines anteilsberechtigten Abkömmlings ausgelöst wird.[4] Seit der Reform des ErbStG durch das Gesetz vom 24.12.2008[5] mit Wirkung zum 1.1.2009 gilt § 4 Abs. 1 ErbStG auch für Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, die im Lebenspartnerschaftsvertrag gem. § 7 LPartG eine der Gütergemeinschaft vergleichbare Regelung getroffen haben.[6]

[1] § 3 ErbStG Rz. 100 ff.; Löcherbach, in V/S/W, ErbStG, 2023, § 4 Rz. 3.
[4] Rz. 20.
[5] BGBl I 2008, 3018.
[6] Vgl. BT-Drs. 16/7918; Gottschalk, in T/G/J/G, ErbStG, § 4 Rz. 1; Curdt, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 4 Rz. 1.1.

2 (Fortgesetzte) Gütergemeinschaft nach §§ 1415 ff., 1483 ff. BGB

 

Rz. 2

Vereinbaren die Ehegatten ehevertraglich nach § 1415 BGB den Güterstand der Gütergemeinschaft, wird nach § 1416 Abs. 1 S. 1 BGB das Vermögen beider Ehegatten grundsätzlich als sog. Gesamtgut gemeinschaftliches Vermögen der Eheleute; dies gilt nach § 1416 Abs. 1 S. 2 BGB auch für das Vermögen, das der Ehemann und die Ehefrau während des Bestehens der Gütergemeinschaft erwerben.[1] Die Gütergemeinschaft stellt gem. § 1419 Abs. 1 BGB keine Bruchteilsgemeinschaft, sondern eine Gesamthandsgemeinschaft dar[2], womit der einzelne Ehegatte nicht über seinen Anteil am Gesamtgut bzw. an dessen einzelnen Gegenständen verfügen kann und nicht berechtigt ist, die Teilung der Gemeinschaft zu verlangen. Sofern die Ehegatten im Ehevertrag keine abweichende Bestimmung getroffen haben, verwalten sie nach § 1421 i. V. m. §§ 1450 ff. BGB das Gesamtgut gemeinschaftlich. Die Gütergemeinschaft endet entweder durch Auflösung der Ehe, durch Ehevertrag oder durch Urteil[3], was die Auseinandersetzung des Gesamtguts nach §§ 1471 ff. BGB zur Folge hat. Wird die Ehe durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst, zählt nach § 1482 BGB der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut zum Nachlass, womit der verstorbene Ehegatte nach den allgemeinen erbrechtlichen Vorschriften beerbt wird.[4]

 

Rz. 3

Die Ehegatten können nach § 1483 Abs. 1 BGB darüber hinaus vereinbaren, dass die Gütergemeinschaft nach dem Tod des (erst-)versterbenden Ehegatten zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen hinsichtlich des Gesamtguts fortgesetzt wird, was dem überlebenden Ehegatten erspart, den erbberechtigten Abkömmlingen ihren Anteil am Gesamtgut sofort herauszugeben bzw. auszuzahlen.[5] In die fortgesetzte Gütergemeinschaft treten nach § 1483 Abs. 1 S. 2 BGB die gemeinschaftlichen Abkömmlinge ein, die bei gesetzlicher Erbfolge als Erben berufen sind. Die in die Gütergemeinschaft eintretenden Abkömmlinge erwerben und übernehmen den Anteil des verstorbenen Ehegatten jedoch nicht durch einen Erwerb durch Erbanfall gem. §§ 1922 ff. BGB, sondern im Wege einer gesetzlich angeordneten güterrechtlichen Sonderrechtsnachfolge.[6] Das Recht zur Verwaltung des Gesamtguts liegt nach § 1487 Abs. 1 BGB fortan ausschließlich beim überlebenden Ehegatten.

 

Rz. 4

Der überlebende Ehegatte kann die fortgesetzte Gütergemeinschaft gem. § 1492 Abs. 1 BGB jederzeit durch eine entsprechende Erklärung gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht aufheben. Eine fortgesetzte Gütergemeinschaft endet zudem, sobald der überlebende Ehegatte erneut heiratet oder eine Lebenspartnerschaft begründet[7] bzw. mit dem Tod des überlebenden Ehegatten.[8] Nach Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft setzen sich der überlebende Ehegatte und die anteilsberechtigten Abkömmlinge über das Gesamtgut gem. §§ 1497 ff. BGB auseinander. Beim Tod eines anteilsberechtigten Abkömmlings zählt sein Anteil am Gesamtgut nach § 1490 S. 1 BGB nicht zu seinem Nachlass; der Anteil wi...

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