Rz. 305

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ErbStG unterliegt der Erwerb durch Vermächtnis der ErbSt. Die ErbSt entsteht nach h. M.[1] mit dessen Anfall[2] und nicht mit dessen Annahme. Dies ist vor dem Hintergrund des erbschaftsteuerrechtlichen Bereicherungsprinzips – zumindest rechtspolitisch – nicht unproblematisch.[3] Zwar verhält es sich so, dass die Forderung bereits mit dem Erbfall zivilrechtlich entsteht.[4] Gleichwohl bedarf es zur Durchsetzung derselben einer Annahme.[5] Gerade der Vergleich mit dem Pflichtteilsrecht zeigt, dass es systematisch stimmiger wäre, auch beim Vermächtnis auf dessen Annahme abzustellen.[6] Dogmatische Ungereimtheiten ergeben sich auch, wenn das Forderungsrecht wegen nachträglicher Leistungsstörungen untergeht.[7] Es besteht die Gefahr, dass der Vermächtnisnehmer den Vermächtniserwerb zu versteuern hat, obwohl er am Ende leer ausgeht. Die Praxis hilft sich mit Billigkeitsmaßnahmen[8] oder möchte das Erfüllungsrisiko – entgegen der restriktiven Rspr. des BFH[9] – bereits bei der Bewertung der Forderung berücksichtigen.[10] Insgesamt spricht das Bereicherungsprinzip bereits de lege lata für die Ansicht von Hübner[11], dass als Erwerb durch Vermächtnis erst der durch Vermächtniserfüllung eintretende endgültige, dingliche Erwerb des vermachten Gegenstands zu verstehen ist, der dann durch § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung und damit auf den Zeitpunkt des Anfalls des Vermächtnisses zurück zu beziehen ist. Das Stichtagsprinzip steht dem nicht zwingend entgegen. Für den Sonderfall eines erbschaftsteuerrechtlich anzuerkennenden formunwirksamen Vermächtnisses[12] entsteht die Steuer nicht – auch nicht rückwirkend – mit dem Tod des Erblassers, sondern erst mit Erfüllung des Vermächtnisses.[13] Verschiedene Zeitpunkte der Tatbestandsverwirklichung und damit zusammenhängend der Entstehung der Steuer bedeuten, dass selbstständige Erwerbsvorgänge vorliegen, für die die Steuer jeweils gesondert festzusetzen ist.[14]

Das FG München stellt mit Urteil vom 10.7.2019 zwar weiterhin auf den Erwerb des schuldrechtlichen Anspruchs ab, betrachtet diesen jedoch für die Beurteilung einer beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und § 121 Nr. 2 BewG dem dinglichen Erwerb als gleichgestellt. Entgegen der formaljuristischen Betrachtungsweise der Lit., die auf den Wortlaut des § 121 Nr. 2 BewG abstellt, könne es laut dem FG München für die beschränkte Steuerpflicht keinen wertungsgemäßen Unterschied machen, ob dingliches Eigentum am Grundstück erworben wurde oder lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung. Der Begriff des Vermögensanfalls in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG könne nicht nur auf den dinglichen Erwerb reduziert werden. Bei der Auslegung müsse primär bei § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG angesetzt werden. Ein reines Orientieren am Wortlaut des § 121 BewG reiche nicht aus, zumal dadurch inländisches Grundvermögen der Besteuerung entzogen werden könne, indem man es zum Gegenstand eines Vermächtnisses mache.[15]

Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Im Gegensatz zur kolumbianischen Rechtsordnung, die in dem vor dem FG München behandelten Fall zum Erbstatut berufen war, kennt das deutsche Recht kein Vindikationslegat, sondern lediglich das in § 2174 BGB bezeichnete Damnationslegat. Selbst wenn das als Erbstatut berufene ausländische Recht von einem Vindikationslegat ausgeht, begründet ein Vermächtnis in Bezug auf in Deutschland gelegenes Vermögen lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch.[16]

Dem ist auch das FG München im oben genannten Urteil auch noch gefolgt. Trotzdem fasst das FG diesen schuldrechtlichen Anspruch unter den Begriff des inländischen Grundvermögens i. S. d. § 121 Nr. 2 BewG. Ein schuldrechtlicher Anspruch kann jedoch nicht unter § 121 Nr. 2 BewG subsumiert werden, da dieser nicht mit Grundvermögen gleichgesetzt werden kann. Der schuldrechtliche Anspruch ist immer mit einem Durchsetzungsrisiko behaftet. Im schlimmsten Fall kann es passieren, dass der Anspruch nicht erfüllt bzw. durchgesetzt werden kann und auch entsprechende Schadensersatzansprüche ins Leere gehen. Würde man nun die Besteuerung an den schuldrechtlichen Anspruch knüpfen, würde in diesen Fällen zwar eine Steuerschuld entstehen, der Vermächtnisinhaber würde jedoch kein Vermögen erwerben, sondern hätte nur einen wertlosen schuldrechtlichen Anspruch. Die Differenzierung zwischen dinglicher und schuldrechtlicher Rechtslage muss daher auch bei § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i. V. m. § 121 Nr. 2 BewG beibehalten werden. Eine hierdurch möglicherweise entstehende Besteuerungslücke müsste durch den Gesetzgeber geschlossen werden, nicht jedoch durch eine verfehlte Auslegung des § 121 Nr. 2 BewG.

 

Rz. 306

Entstehen und Fälligkeit des Vermächtnisanspruchs können abweichend vom nach Ansicht der h. M. maßgeblichen Zeitpunkt des Erbfalls[17] zu einem späteren Zeitpunkt hinausgeschoben sein. Wenn der Anspruch des Vermächtnisnehmers erst nach dem Erbfall, insbesondere beim Eintritt einer aufschiebenden Bedingun...

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