Rz. 62

§ 3 ErbStG ist auf das deutsche Erb- und Schenkungsrecht zugeschnitten, benutzt dessen Terminologie und verweist vielfach auf Vorschriften des BGB. Damit stellt sich das Problem, wie im Bereich internationaler Erbfälle zu verfahren ist, die aufgrund des Internationalen Privatrechtes (IPR) ausländischem Recht unterliegen.[1] Daraus könnte man schlussfolgern, dass Erwerbe von Todes wegen, die sich nach ausländischem Erbrecht vollziehen, überhaupt nicht dem deutschen Erbschaftsteuerrecht unterfallen. Nach der Rspr. werden allerdings auch Erwerbe, bei denen der Erwerbsvorgang nach ausländischem Zivilrecht stattfindet, von § 3 ErbStG erfasst.[2]

Für diesen Standpunkt spricht, dass die Grundtatbestände des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ErbStG nicht als Erwerbsvorgänge nach deutschem Zivilrecht beschränkt sind und demzufolge auch Erwerbsvorgänge nach ausländischem Recht erfassen. Des Weiteren liefe die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG über die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht weitestgehend leer. Schließlich wäre es im Hinblick auf den aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleiteten Leistungsfähigkeitsgedanken verfassungsrechtlich bedenklich, wenn Erwerbe nach in- und ausländischem Recht unterschiedlich behandelt würden. Dies bedeutet aber nicht, dass das einschlägige ausländische Erbrecht für Zwecke des Erbschaftsteuerrechts an das deutsche Erbrecht "anzupassen" ist, wie das FG Hessen entschieden hat. Geklagt hatte eine Erbin, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und deren Vater im Ausland verstarb. Zum Todeszeitpunkt hatte die Erbin ihren Wohnsitz im Inland. Nach italienischem Recht fällt die Erbschaft nicht automatisch dem gesetzlichen Erben zu, sondern erst mit Annahmeerklärung der Erbschaft. Diese erklärte die Erbin erst einige Monate später, nachdem sie zwischenzeitlich ins Ausland verzogen war. Sie war deshalb der Auffassung, dass die Erbschaft nicht dem deutschen Steuerrecht unterfalle, da der Erbanfall erst mit der Annahmeerklärungen stattgefunden habe. Das FG Hessen vertritt die Auffassung, dass die Erbschaft dem deutschen Erbrecht unterliege, da die Erbin im Todeszeitpunkt des Erblassers ihren Wohnsitz in Deutschland hatte. Daraus folgt, dass auch ein nach ausländischen Recht erfolgter vergleichbarer Erwerb von Todes wegen der deutschen Erbschaftssteuer unterliegt, wenn der Erbe zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer Inländer ist. Demnach soll es keine Rolle spielen, wenn nach ausländischem Recht die Erbschaft erst angenommen werden muss – der Zeitpunkt des Entstehens der Steuer wird dadurch nach deutschem Recht nicht hinausgeschoben, zumindest solange das ausländische Recht eine ex tunc Wirkung der Annahme vorsieht.[3]

 

Rz. 63

Aus der st. Rspr. des BFH folgt die Notwendigkeit, den ausländischen Erwerbstatbestand unter das ErbStG zu subsumieren. Dazu hat die Rspr. eine sog. 2-stufige Objektqualifikation entwickelt.[4] Bezogen auf § 3 ErbStG wird auf 1. Stufe verglichen, ob das ausländische Privatrechtsinstitut einem der in § 3 ErbStG genannten Erwerbsvorgänge entspricht. Ist dies nicht der Fall, muss auf nächster Stufe geprüft werden, ob die Rechtsposition des potenziellen Steuerpflichtigen nach ausländischem Recht an das deutsche Recht angepasst werden kann. Dabei soll für die Erbschaftsbesteuerung nicht die formale Gestaltung des ausländischen Rechts maßgebend sein, sondern die wirtschaftliche Bedeutung dessen, was das ausländische Recht für den Einzelfall vorschreibt. Soweit nach deutschem Recht mehrere Strukturen in Betracht kommen, die dem nach dem ausländischen Recht verwirklichten Sachverhalt in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis gleichkommen, kann höchstens die Steuer aus dem für den Steuerpflichtigen günstigeren Tatbestand des deutschen Rechts festgesetzt werden.[5] Die Sichtweise des BFH ist nicht unumstritten.[6] Namentlich wird gegen die wirtschaftliche Betrachtungsweise überzeugend vorgetragen, dass der Vergleich schon wegen des Zusammenwirkens von IPR und dem ausländischen Erbrecht nicht auf bürgerlich-rechtliche Maßstäbe verzichten kann. Des Weiteren besteht bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Gefahr, dass das Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung gegenüber dem Bereicherungsprinzip vollständig aufgegeben wird. Letztlich geht es um eine zivilrechtliche Analyse, weil sich die wirtschaftliche Position eines Erwerbers nach zivilrechtlichen Kriterien, wie etwa der dinglichen Eigentümerstellung, Verfügungsbefugnissen und Verfügungsverboten, schuldrechtlichen Ansprüchen auf Substanz oder Ertrag usw. bestimmt. Das sieht inzwischen auch der BFH so und sieht eine allein auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise gestützte Anwendung als mit der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nicht vereinbar. Der Schwerpunkt in der Praxis liegt auf der Qualifikation von Rechtsinstituten des angelsächsischen Rechts, namentlich des Executors und Administrators, sowie des Trusts. Im US-amerikanischen Erbrecht ist die Testamentsvollstreckung zwingend vorgeschrieben, der gerichtlich eingesetz...

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