Rz. 100

§ 29 Abs. 2 ErbStG stellt klar, dass eine Erstattung insoweit nicht in Betracht kommt, als dem Erwerber (Beschenkten) die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben und er somit bereichert bleibt. Diese Sachbehandlung entspricht dem Grundsatz des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, nach dem als Schenkung jede freigebige Zuwendung gilt, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.[1]

 

Rz. 101

§ 29 Abs. 2 ErbStG ist unter Berücksichtigung der Überschrift der Vorschrift und ihres systematischen Zusammenhangs so zu verstehen, dass die zu berücksichtigenden zwischenzeitlichen Nutzungsvorteile keinen selbstständigen steuerpflichtigen Erwerb darstellen. Die Vorschrift lässt vielmehr nur eine entsprechende Kürzung der zu erstattenden Steuer und nicht die Festsetzung einer eigenen Schenkungsteuer zu.[2] Bei der Herausgabe von Vermögen, dessen Zuwendung nach §§ 13a13d ErbStG begünstigt war, dürften auf die Nutzungsversteuerung ebenfalls die (ggf. zeitanteilige, § 13a Abs. 5 S. 2 ErbStG) Verschonungsregelungen – soweit tatbestandlich erfüllt – für unternehmerisches Vermögen anzuwenden sein.[3] Der steuerpflichtige Vorgang – und damit zugleich der Beginn der 10-Jahresfrist i. S. d. § 14 Abs. 1 ErbStG – liegt in der ursprünglichen Vermögensübertragung.[4]

 

Rz. 102

Sofern die Anwendungsvoraussetzungen des § 29 Abs. 2 ErbStG vorliegen, ist der Nutzungsvorteil mit dem Kapitalwert der Nutzungen des Vermögens anzusetzen und nach den Regeln der §§ 1316 BewG zu ermitteln. Zu Einzelheiten der Berechnung vgl. § 12 ErbStG Rz. 130 ff.

Rechts- und Beratungskosten im Zusammenhang mit der Rückabwicklung einer Schenkung sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG abzugsfähig.[5]

 

Rz. 103

§ 29 Abs. 2 ErbStG setzt voraus, dass dem Erwerber die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben. Er muss jedoch insoweit – wie der vorstehenden Gesetzesbegründung zu entnehmen ist – auch nach Rücknahme des Geschenks bereichert bleiben. Daran fehlt es, wenn der Erwerber gem. § 818 Abs. 1 BGB auch die gezogenen Nutzungen herauszugeben hat und diese tatsächlich herausgibt. In diesem Fall scheidet die Anwendung des § 29 Abs. 2 ErbStG aus.

 

Rz. 104

Die Vorschrift ist ebenfalls unanwendbar, wenn dem Erwerber – z. B. wegen Zuwendung des geschenkten Gegenstands unter Nießbrauchsvorbehalt – keine Nutzungen zustanden.

 

Rz. 105

Schließlich ist § 29 Abs. 2 ErbStG in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht anzuwenden, weil es hier zu keiner Rückgabe von Vermögensgegenständen kommt. Vielmehr verbleibt das unentgeltlich Zugewendete endgültig beim Erwerber und wird lediglich mit Rückwirkung in die Ermittlung des Zugewinnausgleichs einbezogen; die Nutzungen und Erträge des Zugewendeten fließen dem Ehegatten unbeschadet des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nach wie vor aus eigenem Recht zu. Damit entfällt die Grundlage für einen steuerpflichtigen Nutzungsvorteil des Geschenkten.[6]

[1] BR-Drs. 140/72, 75.
[2] FG Düsseldorf v. 30.11.2016, 4 K 3976/15 Erb, EFG 2017, 142; Jochum, in Wilms/Jochum, ErbStG, § 29 Rz. 75; Jülicher, in T/G/J /G, ErbStG, § 29 Rz. 122, 125; Wälzholz, in V/K/S/W, ErbStG, 2017, § 29 Rz. 54; für einen selbstständigen Erwerb hingegen Weinmann, in Moench/Weimann, ErbStG, § 29 Rz. 24.
[3] R E 29 ErbStR 2019; Geck, kösdi 2014, 18725/18732.
[4] Jülicher, in T/G/J /G, ErbStG, § 29 Rz. 125; Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2021, § 29 Rz. 3.
[6] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2021, § 29 Rz. 28; Troll, DB 1990, 498; Geck, kösdi 2014, 18725/18731.

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