Rz. 45

Abgesehen von den speziellen Fällen des § 28 Abs. 1 S. 1 ErbStG kann die Erbschaft- oder Schenkungsteuer im Einzelfall auch nach der allgemeinen abgabenrechtlichen Stundungsvorschrift des § 222 AO gestundet werden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Steueranspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint; die Stundung soll nach § 222 S. 1 und 2 AO regelmäßig nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Die Entscheidung über eine Stundung nach § 222 AO steht im Ermessen der FinBeh[1] und wird nach § 234 i. V. m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO im Fall der Erbschaft- wie auch der Schenkungsteuer gegen Verzinsung i. H. v. 0,5 % pro Monat gewährt, wobei nach § 234 Abs. 2 AO auf die Zinsen ganz oder teilweise verzichtet werden kann, wenn ihre Erhebung nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre. Laut BFH bestehen bei einer Niedrigzinsphase ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitsgebots gem. Art. 3 Abs. 1 GG und des aus dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Übermaßverbots.[2]

 

Rz. 46

Anerkannte Fälle einer erheblichen, über die allgemein in der Verpflichtung zur Steuerzahlung hinausgehenden Härte sind z. B. erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten infolge einer Steuerzahlung oder besondere äußere Umstände, auf die sich der Stpfl. wegen Unvorhersehbarkeit nicht oder nicht rechtzeitig einstellen konnte.[3] Letztlich werden beide im Hinblick auf einen Erbfall bzw. eine Schenkung relevanten Fallgruppen regelmäßig nur sehr selten vorliegen. Zwar ist für einen Erwerber von Todes wegen der Zeitpunkt des Todes des Erblassers als die Erbschaftsteuer auslösender Umstand i. d. R. nicht vorhersehbar. Sowohl im Fall eines Erwerbs von Todes wegen als auch einer Schenkung unter Lebenden steht der Belastung des Erwerbers mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer jedoch unentgeltlich erworbenes Vermögen gegenüber, womit die entsprechende Steuer unter Bereicherungsgesichtspunkten[4] nur auf das "hinzuerworbene" Vermögen entfällt und regelmäßig aus diesem – evtl. durch Verkauf – aufgebracht werden kann, ohne dass auf die Substanz des bisherigen eigenen Vermögens des Erwerbers Rückgriff genommen werden muss.[5] Eine Stundung von Erbschaft- oder Schenkungsteuer gem. § 222 AO kommt nach Ansicht der FinVerw z. B. in Betracht, wenn nichtbetriebliche Nachlassverbindlichkeiten in Form von Pflichtteilen oder Vermächtnissen den Fortbestand eines erworbenen Betriebs gefährden, sowie im Fall des Erwerbs von Anteilen an Kapitalgesellschaften.

 

Rz. 47-49

einstweilen frei

[4] Einf. Rz. 4, 7; H.-U. Viskorf, in V/S/W, ErbStG, 2023, Einf. Rz. 2.
[5] Gl. A. Kien-Hümbert, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 28 Rz. 28.

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