Rz. 279

Für die Ermittlung der 90-%-Grenze ist der gemeine Wert des Verwaltungsvermögens[1] ins Verhältnis zu setzen zum gemeinen Wert des begünstigungsfähigen Vermögens.[2]

 

Rz. 280

Beträgt die Quote 90 % oder mehr, ist der Erwerb insgesamt nicht begünstigt. Bei einer Quote von weniger als 90 % kommt der (normale) Verwaltungsvermögenstest nach § 13b Abs. 2 S. 1 ErbStG zur Anwendung.

 

Rz. 281

Der gemeine Wert des Verwaltungsvermögens wird im vorliegenden Zusammenhang wie folgt ermittelt.

Ausgangspunkt ist die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens.[3]

 

Rz. 282

Das Vermögen, das der Sicherung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen dient, wird grundsätzlich hinzugerechnet.[4] Allerdings können die Schulden hier[5] nur insoweit abgezogen werden, als die Verpflichtungen durch Treuhandverhältnisse abgesichert sind.[6]

 

Rz. 283

Bei den Finanzmitteln[7] erfolgt (anders als sonst) keine Schuldenverrechnung. Ein Freibetrag i. H. v. 15 % des gemeinen Werts des Betriebs bzw. der Gesellschaft wird hier gleichfalls nicht gewährt.

 

Rz. 284

Ein anteiliger Abzug der Schulden[8] erfolgt (anders als sonst) nicht. Die allgemeine Regelung, wonach 10 % des Verwaltungsvermögens als unschädlich anzusehen sind[9] kommt nicht zur Anwendung.

 

Rz. 285

Im Ergebnis handelt es sich bei dem (spezifischen) Verwaltungsvermögen.[10] somit um einen Bruttowert ohne Schuldenabzug und ohne Freibetrag.

 

Rz. 286

Für die Ermittlung der Grenze von 90 % wird somit ein Bruttowert (Verwaltungsvermögen) zu einem Nettowert (Unternehmenswert) ins Verhältnis gesetzt. Ein solcher Vergleich entbehrt jeder Systematik und ist sachlich nicht zu begründen. Verfassungsrechtlich ist die mangelnde Folgerichtigkeit der Vorschrift mehr als bedenklich.

 

Rz. 287

Im Schrifttum werden unterschiedliche Vorschläge diskutiert, wie der Anwendungsbereich der Vorschrift sachgerecht eingeschränkt werden kann. Vielfach wird vorgeschlagen, zumindest bei den Finanzmitteln den Abzug der Schulden zuzulassen (und auch den Freibetrag von 15 % zu gewähren).[11] Nach anderer Auffassung soll die Regelung von vornherein nur auf vermögensverwaltende Gesellschaften und nicht auf originär gewerblich tätige Unternehmen anwendbar sein.

 

Rz. 288

Der Vergleich eines Bruttowerts mit einem Nettowert führt zwangsläufig zu unbilligen Ergebnissen. Dies zeigt sich besonders deutlich bei Unternehmen mit einem hohen Anteil mit Fremdkapital, bei denen das Verwaltungsvermögen aber gleichwohl nur einen geringen Anteil der Aktiva ausmacht.[12]

Diese Vorschläge überzeugen inhaltlich, sind aber mit dem Gesetzeswortlaut nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen. Die FinVerw fühlt sich demnach bis heute an den Gesetzeswortlaut der "unsinnigen Regelung"[13] gebunden und lehnt jede einschränkende Auslegung ab.

 

Rz. 289

Richtigerweise sollte die Vorschrift auf echte Missbrauchsfälle reduziert werden. Nach Normzweck und Entstehungsgeschichte soll die 90-%-Grenze nur bei missbräuchlichen Gestaltungen zur Anwendung kommen. Der Gesetzgeber wollte vor allem verhindern, dass die steuerlichen Verschonungen mit Finanzierungsgesellschaften (ähnlich wie früher bei den Cash-Gesellschaften) missbraucht werden können. Dieser Missbrauchsgedanke hat im Gesetzestext zwar keinen unmittelbaren Niederschlag gefunden, ist bei der Gesetzesauslegung aber gleichwohl zu berücksichtigen. Bei (gewerblich tätigen) Unternehmen, bei denen keinerlei steuerliche Gestaltung erfolgt ist und bei denen es sich auch nicht um reine Finanzierungsgesellschaften handelt, besteht für ein Eingreifen der Regelung kein sachlicher Grund. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist insoweit teleologisch zu reduzieren.

 

Rz. 290

Die Verfassungsmäßigkeit der 90 % Grenze beim Verwaltungsvermögen (nach § 13b Abs. 2 S. 2) wird zu Recht in Frage gestellt[14] und ist derzeit Gegenstand eines Verfahrens beim BFH (II R 49/21).

Das FG Münster hat in dem vorausgehenden Hauptsacheverfahren[15] entschieden, dass die Vorschrift des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG (sog. "Einstiegstest") bei der Übertragung von Anteilen an gewerblich tätigen Kapitalgesellschaften "im Wege teleologischer Reduktion" dahingehend einschränkend auszulegen ist, das sie nicht zur Anwendung kommt, wenn die betreffende Kapitalgesellschaft einer originär gewerblichen Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) nachgeht. Dies sei auch durch den "allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG" geboten. Eine Anwendung der Regelung streng nach dem "Wortlaut" würde zu "sinnwidrigen Ergebnissen" führen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hatte das FG Münster die Aussetzung der Vollziehung noch wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit gewährt.[16]

Die Entscheidung des BFH zu BFH II R 49/21 bleibt abzuwarten.

 

Rz. 291–294

einstweilen frei

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