Rz. 71

Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG für Zuwendungen zum Zwecke des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung des Bedachten ist auf Zuwendungen unter Lebenden beschränkt und kann nicht über den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift hinaus auf entsprechende Erwerbe von Todes wegen ausgedehnt werden.[1] Nach h. M. sind zudem lediglich laufende Zuwendungen an den Bedachten vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst; die Einmalzahlung eines Kapitalbetrags oder eines Rentenstammrechts zu Unterhalts- bzw. Ausbildungszwecken ist grds. nicht gem. § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG steuerbefreit.[2] Eine Ausnahme gilt lediglich in den Fällen, in denen der Bedachte z. B. alters- oder gesundheitsbedingt nicht (mehr) in der Lage ist, zukünftig seinen Unterhalt aus eigener Kraft bzw. mit eigenen Mitteln zu bestreiten.[3] Der Stpfl. trägt die Feststellungslast für den Zweck der Zuwendung i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG.[4]

 

Rz. 72

Zuwendungen zum Zwecke des Unterhalts sind ausschließlich gem. § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG steuerbefreit, sofern der Zuwender nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften zum Unterhalt verpflichtet ist, da in diesen Fällen mangels Freigebigkeit bereits kein steuerpflichtiger Zuwendungsvorgang vorliegt.[5] Des Weiteren muss der Bedachte unterhaltsbedürftig sein, d. h. nach seinen eigenen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen unter Einschluss realisierbarer Unterhaltsansprüche gegenüber Dritten ist es ihm nicht möglich, sich selbst angemessen zu unterhalten. Zur Abwendung einer derartigen Unterhaltsbedürftigkeit ist der Bedachte verpflichtet, vorrangig sein gesamtes Vermögen – insbesondere auch unter Verwertung der Substanz – einzusetzen.[6] Die Zuwendungen i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG müssen zudem in Form laufender Zuwendungen zum Zweck des Unterhalts erfolgen; (mittelbare) Zuwendungen zum Zweck des Erwerbs von Einrichtungsgegenständen bzw. einer Eigentumswohnung sind nicht steuerbefreit.[7] Die Zuwendungen dürfen schließlich nicht die Grenze der Angemessenheit des Unterhalts i. S. d. § 13 Abs. 2 S. 1 ErbStG übersteigen.[8] Überschreitet die Zuwendung zum Zweck des Unterhalts das Maß der Angemessenheit nach den konkreten Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten, ist die Zuwendung gem. § 13 Abs. 2 S. 2 ErbStG in vollem Umfang steuerpflichtig.

 

Rz. 73

Laufende Zuwendungen zum Zweck der Ausbildung des Bedachten sind gem. § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG steuerfrei, sofern sie dem Erlernen einer später gegen Entgelt auszuübenden Tätigkeit dienen.[9] Der Begriff der Ausbildung i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG ist weit auszulegen und umfasst den Besuch jeglicher Form von Schule bzw. Hochschule im In- und Ausland unter Einschluss einer Promotion oder eines Praktikums. Die Steuerfreiheit für Zuwendungen zum Zweck der Ausbildung setzt ebenfalls voraus, dass der Bedachte bedürftig ist, d. h. die Kosten seiner Ausbildung nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann.[10] Die Angemessenheitsgrenze des § 13 Abs. 2 ErbStG gilt angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG nur für Zuwendungen zum Zweck des Unterhalts und kann nicht auf Zuwendungen zum Zweck der Ausbildung ausgedehnt werden. Bei gemischten Zuwendungen gilt die Beschränkung auf die Angemessenheit lediglich für den Teil der Zuwendung, der auf den Unterhalt des Bedachten entfällt.[11]

[1] RFH v. 28.4.1938, III e 21/38, RStBl 1938, 571.
[2] BFH v. 13.2.1985, II R 227/81, BStBl II 1985, 333; dazu auch BFH v. 13.8.1954, III 87/54 U, BStBl III 1954, 283; FG Rheinland-Pfalz v. 3.7.1997, 4 K 1966/96, DStRE 1997, 769, (rkr.); Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 13 Rz. 138; S. Viskorf, in V/S/W, ErbStG, 2023, § 13 Rz. 128.
[3] BFH v. 13.8.1954, III 87/54 U, BStBl III 1954, 282; FG München v. 21.9.1993, 4 V 2208/93, UVR 1994, 21, (rkr.).
[4] FG Baden-Württemberg v. 22.1.1988, IX K 534/83, EFG 1988, 240, (rkr.); Curdt, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13 Rz. 105.
[5] Z. B. gesetzliche Unterhaltspflicht unter Ehegatten gem. § 1353 BGB; dazu auch BFH v. 1.7.1964, II 180/62, HFR 1965, 164 zu Zuwendungen innerhalb einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
[6] BFH v. 26.10.1969, II 261/58, StRK § 18 Abs. 1 ErbStG R. 1; Michel, DStR 1977, 88; Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 13 Rz. 140 m. w. N.; krit. Schöbel, ZEV 2021, 733.
[7] RFH v. 5.10.1929, V e A 221/29, RStBl 1929, 601; FG München v. 4.11.1971, IV 75/71, EFG 1972, 78, (rkr.).
[8] Rz. 100; BFH v. 28.11.1967, II 72/63, BStBl II 1968, 239; RFH v. 8.7.1932, V e A 991/31, RStBl 1932, 1147; S. Viskorf, in V/S/W, ErbStG, 2023, § 13 Rz. 130.
[9] FG Rheinland-Pfalz v. 3.7.1997, 4 K 1966/96, DStRE 1997, 769, (rkr.) zu Zuwendungen zur Rückzahlung eines zu Ausbildungszwecken aufgenommenen Darlehens.
[10] Gl. A. Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 13 Rz. 145.
[11] RFH v. 23.6.1933, V e A 525/32, RStBl 1933, 1089; Curdt, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13 Rz. 128.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge