Rz. 65

§ 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG stellt die Vermögensgegenstände steuerfrei, die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen in der Vergangenheit im Wege einer – nicht notwendigerweise steuerpflichtigen – Schenkung bzw. durch einen Übergabevertrag zugewendet hatten und die nunmehr an diese Personen von Todes wegen zurückfallen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist die Steuerfreiheit auf den Rückfall der entsprechenden Vermögensgegenstände im Wege eines Erwerbs von Todes wegen – auch z. B. mittelbar aufgrund einer Nacherbfolge – beschränkt und kann nicht auf Fälle des Vermögensanfalls durch eine unentgeltliche Zuwendung unter Lebenden ausgedehnt werden.[1]

 
Hinweis

Eine doppelte Steuerpflicht bei einem Vermögensrückfall unter Lebenden lässt sich in der Praxis durch entsprechend ausgestaltete Widerrufsrechte und Rückfallklauseln in den jeweiligen Übergabeverträgen erreichen.[2]

 

Rz. 66

Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG setzt zum einen in personeller Hinsicht eine Identität des an der vorgelagerten Zuwendung unter Lebenden und dem späteren Vermögensrückfall von Todes wegen beteiligten Personenkreises voraus, wobei sich die Vermögensverschiebungen jeweils zwischen Eltern bzw. Voreltern und ihren Abkömmlingen vollzogen haben müssen.[3] Unter den Begriff der Eltern fallen auch Adoptiv- und Stiefeltern, nicht jedoch Pflegeeltern.[4] Zum anderen ist in sachlicher Hinsicht eine Identität zwischen den ursprünglich zugewendeten und später zurückgefallenen Vermögensgegenständen erforderlich. Nach Ansicht des BFH ist in diesem Zusammenhang eine lediglich wirtschaftliche Identität nicht ausreichend, gefordert ist vielmehr eine gegenständliche Identität.[5] Dies bedeutet, dass die Steuerbefreiung bei einem Rückfall von Vermögensgegenständen ausgeschlossen ist, die z. B. im Austausch der zugewendeten Gegenstände in das Vermögen des beschenkten Abkömmlings gelangt waren.[6] Ausreichend ist hingegen, wenn zwischen dem zugewendeten und dem zurückgefallenen Vermögensgegenstand bei objektiver Betrachtung eine Art- und Funktionsgleichheit besteht.[7]

 

Rz. 67

Nach h. M. haben darüber hinaus Wertsteigerungen des ursprünglich geschenkten und später zurückgefallenen Vermögens keine Auswirkungen auf die Steuerbefreiung und sind für sich genommen nicht erbschaftsteuerpflichtig, soweit sie ausschließlich auf der wirtschaftlichen Entwicklung beruhen und nicht auf einen Einsatz von Kapital oder Arbeit zurückzuführen sind; im letzten Fall unterliegt der insoweit geschaffene Mehrwert der Erbschaftsteuer.[8] Gleiches gilt für die aus den zugewendeten Vermögensgegenständen gezogenen Früchte sowie die aus diesen Früchten erworbenen Gegenstände, die bei einem Rückfall ebenfalls nicht von der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG erfasst sind.[9]

[1] BFH v. 16.4.1986, II R 135/83, BStBl II 1986, 622; BFH v. 16.7.1997, II B 99/96, BStBl II 1997, 625; R E 13.6 Abs. 1 ErbStR 2019; Curdt, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13 Rz. 79.1; krit. Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 13 Rz. 53.
[2] Felix, NJW 1994, 2334; ders., BB 1994, 1694.
[3] R E 13.6 Abs. 1 S. 1 ErbStR 2019.
[4] Gl. A. Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 13 Rz. 120.
[5] BFH v. 22.6.1994, II R 1/92, BStBl II 1994, 656; dazu auch S. Viskorf, in V/S/W, ErbStG, 2023, § 13 Rz. 114; Meincke, ZEV 1994, 322; Felix, NJW 1994, 2334; a. A. noch BFH v. 25.3.1974, II R 40/68, BStBl II 1974, 658.
[6] R E 13.6 Abs. 2 S. 1 und 2 ErbStR 2019.
[7] Krit. Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 13 Rz. 124 f.; ders., ZEV 1995, 212, 213 ff.
[8] R E 13.6 Abs. 2 S. 4 und 5 ErbStR 2019; BFH v. 22.6.1994, II R 1/90, BStBl II 1994, 656; Spitzbart, ZEV 1998, 35; Jülicher, ZEV 1995, 244; Wolf, DStR 1988, 563 zum Rückfall geschenkter Gesellschaftsanteile.
[9] R E 13.6 Abs. 2 S. 6 ErbStR 2019; Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 13 Rz. 127 zu vertraglichen Rückforderungsrechten.

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