6.6.6.1 Allgemeines

 

Rz. 557

Ist das Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, sind nach § 192 S. 1 BewG die Werte für die wirtschaftliche Einheit Erbbaurecht[1] und für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks[2] gesondert zu ermitteln. Die gesonderte Wertermittlung ist erforderlich, um die beiden wirtschaftlichen Einheiten in ihrem Wertverhältnis zu anderen Vermögensgegenständen möglichst realitätsgerecht abzubilden. Die getrennte Wertermittlung trägt außerdem der Tatsache Rechnung, dass Erbbaurecht und Eigentum am Grundstück typischerweise auseinander fallen. Lasten auf einem Grundstück mehrere Wohnungs- oder Teilerbbaurechte, zerfällt die wirtschaftliche Einheit des Erbbaugrundstücks nach der Verkehrsauffassung in eine entsprechende Anzahl wirtschaftlicher Einheiten. Mit jedem Wohnungs- oder Teilerbbaurecht korrespondiert eine wirtschaftliche Einheit in Gestalt des anteiligen Erbbaugrundstücks.[3]

Der durch das BeitrRLUmsG vom 7.12.2011[4] eingefügte und auf Bewertungsstichtage nach dem 13.12.2011 anwendbare § 192 S. 2 BewG stellt klar, dass mit der Bewertung des Erbbaurechts (§ 193 BewG) die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses und mit der Bewertung des Erbbaurechtsgrundstücks (§ 194 BewG) das Recht auf den Erbbauzins abgegolten ist; die hiernach ermittelten Grundbesitzwerte dürfen nicht weniger als 0 EUR betragen.

6.6.6.2 Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2023

6.6.6.2.1 Bewertung des Erbbaurechts (§ 193 BewG)

 

Rz. 558

Nach § 193 Abs. 1 BewG ist der Wert des Erbbaurechts vorrangig im Vergleichswertverfahren zu ermitteln. Dessen Anwendung kommt allerdings nur in Betracht, wenn für das Erbbaurecht Vergleichskaufpreise oder aus Kaufpreisen abgeleitete Vergleichsfaktoren vorliegen. Vergleichskaufpreise sind möglichst

  • innerhalb der gleichen Grundstücksart,
  • mit annähernd gleich hohen Erbbauzinsen,
  • in Gebieten mit annähernd gleichem Bodenwertniveau,
  • mit annähernd gleicher Restlaufzeit,
  • und annähernd gleichen Möglichkeiten der Anpassung der Erbbauzinsen

zu wählen.[1] Da Erbbaurechte nur einen relativ geringen Teil der Verkaufsfälle ausmachen und die Bedingungen der Erbbaurechte individuell sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, werden sich geeignete Vergleichsfälle nur in Ausnahmefällen ermitteln lassen. In der Praxis wird das Vergleichswertverfahren bei der Bewertung von Erbbaurechten deshalb eher geringe Bedeutung haben.[2]

 

Rz. 559

Ist die Wertermittlung im Vergleichswertverfahren nicht möglich, setzt sich der Wert des Erbbaurechts nach § 193 Abs. 2 BewG zusammen aus einem Bodenwertanteil nach § 193 Abs. 3 BewG und einem Gebäudewertanteil nach § 193 Abs. 5 BewG. Das Verfahren ist der finanzmethodischen Methode der Rz. 4.3.2 WertR 2006 nachgebildet. Aus Vereinfachungsgründen wird auf die Anwendung von Marktanpassungsfaktoren verzichtet.[3]

Im Überblick stellt sich das Verfahren wie folgt dar:

 
Bodenwertanteil[4] Gebäudewertanteil[5]
angemessener Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks[6]  
./. vertraglich vereinbarter jährlicher Erbbauzins  
=  
Unterschiedsbetrag Gebäudeertrags- oder Gebäudesachwert
× ./. (ggf.)
Vervielfältiger Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks
=  
Bodenwertanteil + Gebäudewertanteil
= Grundbesitzwert
[1] Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/11107, 24.
[2] Drosdzol, ZEV 2008, 177, 180.
[3] Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/11107, 24; Pauli, Beilage zu FR 11/2009, 2, 17.

6.6.6.2.2 Bodenwertanteil

 

Rz. 560

Der Bodenwertanteil des Erbbaurechts entspricht dem wirtschaftlichen Vorteil, der sich daraus ergibt, dass der Erbbauberechtigte über die Restlaufzeit des Erbbaurechts nicht den vollen Bodenwertverzinsungsbetrag leisten muss. Der Bodenwertanteil kann auch negativ sein, wenn der vereinbarte Erbbauzins (z. B. infolge stark gefallener Bodenpreise) höher ist als der bei Neuabschluss zum Bewertungsstichtag übliche Erbbauzins.[1]

Der angemessene Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks ergibt sich durch Anwendung des Liegenschaftszinssatzes, der von den Gutachterausschüssen i. S. d. § 192 ff. BauGB ermittelt wurde, auf den Bodenwert nach § 179 BewG.[2]

 

Rz. 561

Soweit von den Gutachterausschüssen keine geeigneten Liegenschaftszinssätze zur Verfügung stehen, gelten nach § 193 Abs. 4 S. 2 BewG die folgenden Zinssätze:

  1. 3 % für Ein- und Zweifamilienhäuser und Wohnungseigentum, das wie Ein- und Zweifamilienhäuser gestaltet ist,
  2. 5 % für Mietwohnungsgrundstücke und Wohnungseigentum, das nicht unter Nr. 1 fällt,
  3. 5,5 % für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50 %, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche, sowie sonstige bebaute Grundstücke,
  4. 6 % für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von mehr als 50 %, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche, und
  5. 6,5 % für Geschäftsgrundstücke und Teileigentum.

In den Fällen der Nrn. 2–4 entsprechen die Liegenschaftszinssätze denen, die nach § 188 Abs. 2 S. 2 Nrn. 24 BewG bei der Anw...

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