Rz. 533

Beim Ertragswertverfahren wird der Wert von bebauten Grundstücken auf der Grundlage des für diese Grundstücke nachhaltig erzielbaren Ertrags ermittelt. Es bietet sich deshalb bei typischen Renditeobjekten an, bei denen der nachhaltig erzielbare Ertrag für die Werteinschätzung am Grundstücksmarkt im Vordergrund steht. Das Ertragswertverfahren ist daher regelmäßig auf Mietwohngrundstücke sowie auf Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke anzuwenden. Im Fall von Mietwohngrundstücken sieht § 182 Abs. 3 Nr. 1 BewG das Ertragswertverfahren als einziges Bewertungsverfahren vor; im Fall von Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken macht § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG seine Anwendung davon abhängig, dass sich für sie auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt. Ist dies nicht möglich, findet das Sachwertverfahren Anwendung.

Das Ertragswertverfahren entspricht im Wesentlichen dem allgemeinen Ertragswertverfahren nach § 28 ImmoWertV. Dabei ist der Wert der baulichen Anlagen getrennt vom Bodenwert auf der Grundlage des Ertrags zu ermitteln.[1] Der Bodenwert ist wie der Wert des unbebauten Grundstücks nach § 179 BewG zu ermitteln.[2] Vereinfachend sieht das Gesetz vor, dass der Wert der baulichen Außenanlagen und sonstigen Anlagen – für Bewertungsstichtage bis 31.12.2022 regelmäßig, für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022 ausnahmslos – mit dem Ertragswert des Gebäudes abgegolten ist.[3] Der Bodenwert und der Gebäudeertragswert ergeben den Ertragswert des Grundstücks.[4] Als Mindestwert ist der Bodenwert anzusetzen.[5]

 

Rz. 534

In einem Überblick lässt sich die Ermittlung des Ertragswerts wie folgt darstellen:

 
Bodenwert[6] Gebäudeertragswert[7]
  Rohertrag (Jahresmiete bzw. übliche Miete)
  ./.
  Bewirtschaftungskosten
  =
  Reinertrag des Grundstücks
  ./.
  Bodenwertverzinsung
  =
Bodenrichtwert Gebäudereinertrag
× ×
Grundstücksfläche Vervielfältiger
= =
Bodenwert + Gebäudeertragswert (mindestens 0)
= Ertragswert (Grundbesitzwert)

6.6.4.1 Ermittlung des Gebäudeertragswerts

6.6.4.1.1 Ermittlung des Reinertrags des Grundstücks

 

Rz. 535

Nach § 185 Abs. 1 BewG ist bei der Ermittlung des Gebäudeertragswerts von dem Reinertrag des Grundstücks auszugehen, der sich aus dem Rohertrag des Grundstücks[1] abzüglich der Bewirtschaftungskosten[2] ergibt.

Rohertrag ist nach § 186 Abs. 1 BewG das Entgelt, das für die Benutzung des bebauten Grundstücks nach den im Bewertungsstichtag geltenden vertraglichen Vereinbarungen für den Zeitraum von 12 Monaten zu zahlen ist. Umlagen, die zur Deckung der Betriebskosten gezahlt werden, sind nicht anzusetzen. Da es sich bei dem Entgelt i. S. d. § 186 Abs. 1 S. 1 BewG um eine Sollmiete handelt, kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit diese tatsächlich gezahlt wurde. Auch bei Mietausfall ist daher eine Bewertung aufgrund der vereinbarten Miete vorzunehmen.[3]

 
Hinweis

Abweichend von § 186 Abs. 1 S. 1 BewG wird der Ertragswert im marktgängigen Ertragswertverfahren auf der Grundlage marktüblich erzielbarer Erträge ermittelt.[4] Sind diese geringer als die mit dem Mietobjekt tatsächlich erzielten Mieten, besteht Wertminderungspotenzial, das durch einen Verkehrswertnachweis gem. § 198 BewG genutzt werden kann.[5]

Für Grundstücke oder Grundstücksteile, die eigengenutzt, ungenutzt, zu vorübergehendem Gebrauch oder unentgeltlich überlassen sind oder die der Eigentümer dem Mieter zu einer um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat, ist die übliche Miete anzusetzen.[6] Anders als nach dem früheren § 146 Abs. 3 S. 1 BewG schließt die Überlassung an Angehörige[7] oder Arbeitnehmer des Eigentümers der tatsächlichen Miete nicht per se aus.

Die übliche Miete ist in Anlehnung an die Miete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird.[8] Betriebskosten sind auch in diesem Fall nicht einzubeziehen.[9] Die übliche Miete kann aus Vergleichsmieten oder aus Mietspiegeln abgeleitet, mithilfe einer Mietdatenbank[10] geschätzt oder durch ein Mietgutachten ermittelt werden.[11] Die Ableitung der üblichen Miete aus Vergleichsmieten kommt insbesondere in Betracht, wenn sich unter § 186 Abs. 2 S. 1 BewG fallende und vermietete Räumlichkeiten in einem Objekt befinden, der steuerpflichtige Eigentümer mehrerer Objekte ist, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem eigengenutzten Objekt belegen sind oder dem FA Vergleichsmieten z. B. aus ertragsteuerlichen Unterlagen vorliegen.[12]

Liegt ein nach 558d BGB erstellter Mietspiegel vor, kann auf diesen zurückgegriffen werden, wenn dieser für den Bewertungsstichtag gilt.[13] Bei anderen Mietspiegeln (z. B. einfachen Mietspiegeln nach § 558c BGB) ist darauf zu achten, dass sie einen repräsentativen Querschnitt der ortsüblichen Entgelte vergleichbarer Wohnungen oder Räumlichkeiten enthalten.[14] Werden darin Mietspannen angegeben, ist grundsätzlich der im Mietspiegel ausgewies...

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