Rz. 465

Nach § 162 Abs. 3 S. 2 BewG entfällt der rückwirkende Ansatz des Liquidationswerts, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von 6 Monaten ausschließlich zum Erwerb eines anderen Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder eines Anteils i. S. d. § 158 Abs. 2 S. 2 BewG verwendet wird. Bei dem Ersatzobjekt kann es sich sowohl um einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft als auch um einen Anteil i. S. d. § 158 Abs. 2 S. 2 BewG handeln. Dies gilt unabhängig davon, welcher der beiden Kategorien das veräußerte Objekt zuzurechnen war. Der Veräußerer eines ganzen Betriebs kann daher an dessen Stelle einen Anteil erwerben wie umgekehrt der Veräußerer eines Anteils einen ganzen Betrieb. Auch die Verteilung des Veräußerungserlöses auf mehrere Ersatzobjekte ist möglich. Die Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten kann ebenfalls einen begünstigten Ersatzerwerb darstellen, wenn der Einbringende weder ganz noch teilweise durch Geld abgefunden wird.

 

Rz. 466

Veräußerungserlös ist alles, was der Veräußerer als Gegenleistung für die Übertragung des Betriebs oder des Anteils erhalten hat. Eine Minderung des Veräußerungserlöses um eventuell angefallene Veräußerungskosten ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht vorgesehen. Sie kann dem Begriff des Veräußerungserlöses auch nicht im Wege der Auslegung entnommen werden, da der Gesetzgeber in anderen Fällen die Minderung des Veräußerungserlöses um die Veräußerungskosten ausdrücklich angeordnet hat.[1] Für einen Erwerb verwendet ist der Veräußerungserlös, wenn er zur Bezahlung der Anschaffungskosten einschließlich aller Anschaffungsnebenkosten des Ersatzobjekts eingesetzt wird. Eine ausschließliche Verwendung des Veräußerungserlöses in diesem Sinne liegt nur vor, wenn dieser in voller Höhe für den begünstigten Zweck eingesetzt wird. Der Einsatz weiterer Mittel für den Erwerb des Ersatzobjekts ist unschädlich. Wird der Veräußerungserlös nur teilweise für den begünstigten Zweck verwendet, ist die Reinvestitionsbegünstigung in voller Höhe ausgeschlossen.

 

Rz. 467

Fraglich ist, wie der 6-Monatszeitraum zwischen Veräußerung und Verwendung für den Ersatzerwerb zu verstehen ist. Nach allgemeinen Grundsätzen beginnt er mit dem Zeitpunkt, zu dem Nutzen, Lasten und Gefahren und damit das wirtschaftliche Eigentum an dem veräußerten Betrieb oder Anteil auf den Erwerber übergegangen ist.[2] Allerdings hat der BFH bei Anwendung des früheren § 14a Abs. 4 EStG (Verwendung eines Veräußerungs- oder Entnahmegewinns zur Abfindung weichender Erben) die in dieser Vorschrift vorgesehene 12-Monatsfrist erst mit der Umschreibung im Grundbuch beginnen lassen; ausschlaggebend dafür war die – in dieser Allgemeinheit wohl unzutreffende – Erwägung, dass der Anspruch auf Zahlung des Veräußerungspreises regelmäßig erst zu diesem Zeitpunkt fällig werde.[3]

 

Rz. 468

Für den Ersatzerwerb "verwendet" ist der Veräußerungserlös spätestens dann, wenn er zur Begleichung der Anschaffungskosten des anderen Betriebs oder Anteils bei dem Stpfl. abgeflossen ist. Für die Bestimmung des Abflusses kann auf zu § 11 Abs. 2 EStG entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Danach ist maßgeblich, wann der Stpfl. die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Veräußerungserlös verloren hat.[4] Das Abstellen auf den Abflusszeitpunkt entspräche den Grundsätzen, die auch für die Anwendung des früheren § 14a Abs. 4 EStG galten. Der Umstand, dass die 6-Monatsfrist des § 162 Abs. 3 S. 2 BewG für den Ersatzerwerb knapp bemessen erscheint, könnte allerdings dafür sprechen, eine Verwendung zu dem begünstigten Zweck schon zu dem Zeitpunkt anzunehmen, da sich der Stpfl. zum Erwerb des Ersatzobjekts verpflichtet, also einen rechtswirksamen Kaufvertrag darüber abschließt und sich damit auf eine entsprechende Verwendung des Veräußerungserlöses festlegt.

 

Rz. 469

Hinsichtlich des früheren § 14a Abs. 4 EStG hat der BFH entschieden, dass die in S. 2 Nr. 1 dieser Vorschrift geregelte Verwendungsfrist auch dann eingehalten ist, wenn die Abfindung der weichenden Erben bereits vor der Veräußerung oder Entnahme erfolgt ist.[5] U. E. bestehen keine Bedenken, dieser Beurteilung auch für die Verwendungsfrist des § 162 Abs. 3 S. 2 BewG zu folgen. Damit von einer Verwendung des Veräußerungserlöses gesprochen werden kann, ist allerdings erforderlich, dass zumindest der obligatorische Vertrag über die Veräußerung des Betriebs oder Anteils im Zeitpunkt des Ersatzerwerbs bereits rechtswirksam abgeschlossen war.[6] Darauf, dass der vereinbarte Veräußerungserlös bereits ausgezahlt war, kommt es nicht an, weil § 162 Abs. 3 S. 2 BewG nur eine betragsmäßige und keine gegenständliche Entsprechung zwischen dem Veräußerungserlös und den für den Ersatzerwerb verwendeten Mitteln voraussetzt.

[2] Ebenso R B 162 Abs. 3 S. 4 ErbStR 2019.
[4] Im Einzelnen Walter, in Frotscher/Geurts, EStG, § 11 Rz. 27; Krüger, in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, EStG,...

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