4.7.5.1 Ausgangswert im Allgemeinen

 

Rz. 341

Nach § 202 Abs. 1 S. 1 BewG ist zur Ermittlung des Betriebsergebnisses von dem Gewinn i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 EStG auszugehen. Die früher in R 99 Abs. 1 S. 4 ErbStR 2003 vorgesehene Anknüpfung an das zu versteuernde Einkommen i. S. d. §§ 7 und 8 KStG kommt nach neuem Recht nicht mehr in Betracht, weil Einzelunternehmen und Personengesellschaften anders als Kapitalgesellschaften kein zu versteuerndes Einkommen haben.

 

Rz. 342

Gewinn i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 EStG ist der unter Berücksichtigung der steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften ermittelte Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres vermehrt um den Wert der Entnahmen[1] und vermindert um den Wert der Einlagen.[2] Die Anknüpfung an das Steuerbilanzergebnis hat zur Folge, dass außerhalb der Bilanz vorzunehmende Korrekturen – z. B. wegen der Steuerfreiheit bestimmter Einnahmen oder der nach § 4 Abs. 1 S. 8 EStG zu berücksichtigenden Einschränkungen des Betriebsausgabenabzugs[3] – die Ausgangsgröße nicht berühren.[4] Unabhängig von ihrer ertragsteuerlichen Behandlung beeinflussen sie den zur Ausschüttung zur Verfügung stehenden Ertrag und müssen deshalb im Rahmen der Ertragswertermittlung erfasst werden.[5] Maßgeblich für die Ermittlung des Betriebsergebnisses ist die zutreffende, nicht die tatsächliche ertragsteuerrechtliche Behandlung.[6]

 

Rz. 343

Die Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Ableitung des Jahresertrags ist in der Lit. auf Kritik gestoßen. Nach Ansicht von Rohde/Gemeinhardt steht sie im Widerspruch zu den anerkannten Grundsätzen der Unternehmensbewertung.[7] Schulte befürchtet, dass sich die im Ertragsteuerrecht zu beobachtende Tendenz, Aufwendungen unter Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips in Gewinn umzuwandeln, im Erbschaftsteuerrecht vollen Umfangs fortsetzt.[8]

U.E. ist die Anknüpfung an das Steuerbilanzergebnis im Hinblick auf den mit den §§ 199203 BewG verfolgten Vereinfachungszweck vertretbar.[9] Abweichungen gegenüber dem Handelsbilanzergebnis ergeben sich allein aus den steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften, z. B. aus dem Verbot der Bildung von Drohverlustrückstellungen gem. § 5 Abs. 4a EStG oder den Vorschriften über die Bemessung von Pensionsrückstellungen gem. § 6a EStG.[10] Außerhalb der Bilanz vorzunehmende Korrekturen – die Hinzurechnung nicht abziehbarer Betriebsausgaben und der Abzug steuerfreier Einnahmen – wirken sich hingegen nicht auf die in § 202 Abs. 1 S. 1 BewG genannte Ausgangsgröße aus.

[4] R B 202 Abs. 2 S. 1–3 ErbStR 2019.
[5] Briese, BB 2008, 1097, 1099; Kühnold/Mannweiler, BB 2008, 1879, 1881.
[6] R B 202 Abs. 1 S. 3 ErbStR 2019.
[7] Rohde/Gemeinhardt, StuB 2008, 338, 342.
[8] Schulte, FR 2008, 341, 345.
[9] Ebenso Spengel/Elschner, Ubg 2008, 408, 409.
[10] Stahl, KÖSDI 2008, 16069, 16072.

4.7.5.2 Ausgangswert bei Kapitalgesellschaften

 

Rz. 344

Der Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 S. 1 EStG gilt unmittelbar aber nur für Personenunternehmen. Demgegenüber geht das KStG vom – zu versteuernden – Einkommen (§ 7 Abs. 1 und 2 KStG) aus, nimmt zur Beantwortung der Frage, was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, allerdings auf die Vorschriften des EStG Bezug. Daraus folgt, dass auch bei Kapitalgesellschaften als Vorstufe zur Ermittlung des Einkommens ein Gewinn aus Gewerbebetrieb zu ermitteln ist. Zu diesem Zweck ist das Steuerbilanzergebnis auch bei Kapitalgesellschaften um betriebsfremde Einflüsse zu berichtigen. Anders als bei Personenunternehmen betreffen diese aber nicht Vermögensverschiebungen zwischen der betrieblichen und nichtbetrieblichen Sphäre des Betriebsinhabers, sondern solche zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern.[1] Den Einlagen i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 EStG entsprechen damit die offenen oder verdeckten Gesellschaftereinlagen, den Entnahmen die offenen und verdeckten Gewinnausschüttungen sowie Kapitalherabsetzungen. Obwohl § 8 Abs. 3 KStG die Unbeachtlichkeit von Gewinnausschüttungen und Einlagen auf die Höhe des Einkommens bezieht, ist anerkannt, dass es sich bei den Regelungen des § 8 Abs. 3 KStG um Gewinnermittlungsvorschriften handelt.[2] Deshalb ist bei Kapitalgesellschaften der Ausgangswert Steuerbilanzgewinn um Gewinnausschüttungen zu erhöhen und um Einlagen zu mindern.

[2] Roser, in Gosch, KStG, § 8 Rz. 30; BFH v. 6.7.2000, I B 34/00, BFH/NV 2000, 1430, BStBl II 2002, 367.

4.7.5.3 Ausgangswert bei Personengesellschaften

 

Rz. 345

Im Hinblick auf Personengesellschaften bestimmt § 202 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. BewG, dass bei einem Anteil am Betriebsvermögen Ergebnisse aus den Sonderbilanzen und Ergänzungsbilanzen unberücksichtigt bleiben. Die Regelung steht im Zusammenhang damit, dass Wirtschaftsgüter und Schulden des Sonderbetriebsvermögens nach § 97 Abs. 1a Nr. 2 BewG dem jeweiligen Gesellschafter mit ihren gemeinen Werten zugerechnet werden. Um Doppelerfassungen zu vermeiden, müssen sie bei der Ermittlung des Ertragswerts au...

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