Rz. 298

Mit der Zulassung anderer Verfahren trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass die Bewertung im Ertragswertverfahren nicht für jede Art von Unternehmen geeignet bzw. auf dem Markt üblich ist. Soweit andere Preisbildungsmechanismen bestehen, hat eine an den gemeinen Wert anknüpfende Bewertung diese zu respektieren (Begründung zu Art. 2 Nr. 2 des Regierungsentwurfs des ErbStRG).

Als alternative Bewertungsmethoden nennt die Gesetzesbegründung beispielhaft vergleichsorientierte Methoden und Multiplikatorenmethoden. Es handelt sich dabei um unterschiedliche Erscheinungsformen marktorientierter Bewertungsverfahren, die den mutmaßlich zu erzielenden Veräußerungspreis entweder aus dem direkten Vergleich mit realisierten Kaufpreisen vergleichbarer Unternehmen (sog. Comparative Company Approach), aus sog. Marktmultiplikatoren (branchentypisches Verhältnis zwischen Kaufpreis und Gewinn bzw. Cashflow) oder aus branchentypischen Kennziffern (Vergleichswertverfahren) ableiten.[1] Als Bezugsgrößen von Vergleichswertverfahren sind in manchen Branchen mengenmäßige Größen (z. B. Zahl der erteilen Taxenkonzessionen bei Taxiunternehmen) üblich; in einigen Branchen, speziell bei Großhandels- und Filialbetrieben sowie Agenturen, sind Bewertungsverfahren verbreitet, die an den Rohgewinn oder an verwaltete Budgets anknüpfen; soweit Unternehmenswerte in hohem Maß durch den Goodwill bestimmt werden, wird dessen Wert häufig in Abhängigkeit vom Umsatz bestimmt.[2]

 

Rz. 299

Während die direkte Ableitung des Unternehmenswerts aus Kaufpreisen meist daran scheitert, dass geeignete Vergleichsfälle fehlen, weil es keine stichtagsnahen Verkäufe von Unternehmen gibt, die dem zu bewertenden nach Größe und Struktur hinreichend ähnlich sind, oder dass die Bedingungen solcher Verkäufe nicht transparent sind, stellen die an Marktmultiplikatoren und branchentypische Kennziffern anknüpfenden Bewertungen für die Marktteilnehmer offenbar weitverbreitete Hilfsmittel für die Preisfindung dar.[3] Der Vorteil dieser Bewertungsverfahren liegt zum einen in ihrer Einfachheit, weil branchentypische Vergleichszahlen häufig nur an eine einzige Teilgröße anknüpfen, die im relevanten Teilmarkt als dominant, stabil und/oder wenig manipulierbar angesehen wird, zum anderen in ihrer konsequenten Marktorientierung; allerdings ist regelmäßig die Ermittlung regionaler, unternehmensspezifischer und marktmäßiger Besonderheiten erforderlich.[4]

Vor allem bei freien Berufen und bei Gewerbetreibenden, bei denen die persönliche Leistungsfähigkeit des Berufsträgers bzw. Unternehmers gegenüber dem Kapital- und Personaleinsatz im Vordergrund stehen, ist der Umsatz als Referenzgröße für die Bewertung des ideellen Werts des Unternehmens allgemein anerkannt.[5]

Einen Überblick über branchenspezifische Bewertungsmethoden gibt das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 30.12.2009, 34-S 3715-009-36659/09.

 

Rz. 300

 

Korrektur der Unternehmenswerte

Zu beachten ist, dass Unternehmenswerte, die sich aus vergleichenden bzw. Multiplikatorenverfahren ergeben, für bewertungsrechtliche Zwecke zum Teil noch der Korrektur bedürfen. Soweit die Referenzgrößen die Kapitalstruktur des Unternehmens unberücksichtigt lassen, erlauben sie nur einen Schluss auf den Wert des Aktivvermögens, sodass die nach § 103 Abs. 1 BewG zu berücksichtigenden Schulden und sonstigen Abzüge gesondert zu erfassen sind. Bei Praxen freier Berufe lassen die Umsätze zudem nur einen Schluss auf die Höhe des Praxiswerts zu; vorhandenes Sachvermögen ist gesondert zu bewerten.

[1] Barthel, DB 1996, 149, 154 ff.
[2] Barthel, DB 1996, 149, 160 ff.
[3] Barthel, DB 1996, 149, 162; ders., DB 2007, 586 ff.; Creutzmann, DB 2008, 2784, 2788.
[4] Barthel, DB 1996, 149, 161.
[5] Barthel, DB 1996, 149, 160 ff., m. w. N.; speziell für Arztpraxen: BGH v. 6.2.2008, XII ZR 45/06, BGHZ 175, 207, NJW 2008, 1221.

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