Rz. 280

Der Begriff "Verkäufe" stellt auf den Abschluss der schuldrechtlichen Verträge, also auf den jeweiligen Kaufvertrag i. S. d. § 433 BGB ab.[1] Berücksichtigungsfähig sind nur Verkäufe (und gleichgestellte Vorgänge), die weniger als ein Jahr zurückliegen. Die Jahresfrist ist – ausgehend vom Bewertungsstichtag[2] – nach § 108 Abs. 1 AO i. V. m. §§ 187 ff. BGB rückwärts zu berechnen.[3] Da der Beginn der Jahresfrist an den Verkauf anknüpft, zählt der Tag des Verkaufs bei der Fristberechnung nicht mit.[4] Die Jahresfrist endet daher mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Verkauf stattgefunden hat.[5] Ein Verkauf, der genau ein Jahr vor dem Stichtag stattgefunden hat, liegt somit weniger als ein Jahr zurück.

Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Abschluss des Rechtsgeschäfts, nicht dessen Vollzug. Denn die Jahresfrist soll sicherstellen, dass nur solche Verkäufe berücksichtigt werden, deren zeitliche Nähe zum Bewertungsstichtag den Schluss zulässt, dass die für die Preisbemessung maßgebenden Umstände auch noch für die Wertbestimmung am Stichtag von Bedeutung sind.[6] Eine Ausnahme soll nach BFH vom 16.5.2013[7] allerdings für den Fall gelten, dass der Vertragsabschluss kurze Zeit (d. h. innerhalb einer nach Wochen zu bemessenden Zeitspanne) vor dem nach § 11 Abs. 2 S. 2 BewG maßgeblichen Zeitraum stattgefunden hat, die Vertragsbeteiligten den Kaufpreis aber nach einem späteren, innerhalb des Zeitraums des § 11 Abs. 2 S. 2 BewG liegenden Zeitpunkt bemessen haben. Diese Ausnahme wird damit gerechtfertigt, dass § 11 Abs. 2 S. 2 BewG die Wertermittlung vorrangig an der Wertbestätigung am Markt ausrichtet und ein innerhalb des Jahreszeitraums vor dem Bewertungsstichtag festgelegter Kaufpreis den Wert der Anteile weit besser als alternative Bewertungsverfahren widerspiegelt. Dabei wird allerdings verdrängt, dass das Gesetz die Maßgeblichkeit des tatsächlich vereinbarten Kaufpreises für die Wertableitung auf Verkäufe innerhalb eines Jahres vor dem Bewertungsstichtag beschränkt und davor liegende Preisvereinbarungen – selbst wenn sie nach den für einen späteren Zeitpunkt erwarteten Wertverhältnissen getroffen werden – nur den Kenntnisstand bei Vertragsabschluss widerspiegeln können.

 

Rz. 281

Nach dem Stichtag stattfindende Verkäufe scheiden für die Ermittlung des gemeinen Werts grundsätzlich aus. Eine Ausnahme lässt die Rspr. des BFH für den Fall zu, dass der formelle Vertragsabschluss zwar erst kurze Zeit nach dem Stichtag stattfindet, die Einigung über den Kaufpreis aber schon vor dem Stichtag erfolgt ist.[8] Diese Voraussetzung ist bereits dann erfüllt, wenn sich die Verhandlungen vor dem Stichtag soweit verdichtet haben, dass der Kaufpreis durch den Kaufvertrag nur noch dokumentiert wird.[9] Die Festlegung des Zeitpunkts, zu dem ein Preis als vereinbart anzusehen ist, der dann durch den Kaufvertrag verbindlich wird, ist Tatfrage.[10] Wurde die Einigung über den Kaufpreis zwar erst kurz nach dem Feststellungszeitpunkt erzielt, stand zum Feststellungszeitpunkt aber bereits ein Mindestkaufpreis fest, ist dieser der Bewertung zugrunde zu legen. Dies gilt auch dann, wenn die Einigung über den Mindestkaufpreis am Stichtag noch nicht rechtsverbindlich und wegen weiterer noch offener Verhandlungspunkte offen war, ob es überhaupt zum Vertragsabschluss kommt.[11] Die Ableitung des gemeinen Werts aus einer vor dem Stichtag getroffenen Preisabsprache wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Verhandlungspartner aufgrund eines zwischenzeitlich eingetretenen Erbfalls nicht mit den späteren Vertragspartnern identisch sind.[12] Allerdings muss der formelle Vertragsabschluss "kurz" nach dem Bewertungsstichtag erfolgt sein. Darunter ist eine nach Wochen zu bemessende Zeitspanne zu verstehen.[13]

Eine nach dem Bewertungsstichtag erfolgte Minderung des Kaufpreises ist der Ableitung des gemeinen Werts zugrunde zu legen, wenn bereits am Bewertungsstichtag die Voraussetzungen eines Minderungsrechts objektiv vorgelegen haben und die Minderung später tatsächlich vollzogen worden ist.[14] Demgegenüber sind Änderungen des Kaufpreises, die von nach dem Bewertungsstichtag eingetretenen Entwicklungen abhängig sind, unbeachtlich.[15]

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