Rz. 33

Nach § 4 BewG werden Wirtschaftsgüter, deren Erwerb vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, erst berücksichtigt, wenn die Bedingung eingetreten ist. Unter einer aufschiebenden Bedingung erworbene Wirtschaftsgüter gelten daher bis zum Bedingungseintritt als nicht erworben. Im Erbschaftsteuerrecht sind aber vorrangig die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 ErbStG zu beachten.

 

Rz. 34

Für den Fall des Erwerbs von Todes wegen regelt § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG die Entstehung der Steuer in Fällen bedingten, befristeten oder betagten Erwerbs in 2 Fallgruppen. Die 1. Gruppe betrifft die Fälle, in denen der Erwerb als solcher aufschiebend bedingt, betagt oder befristet ist. Die 2. Gruppe betrifft die Fälle des (unbedingten) Erwerbs aufschiebend bedingter, betagter oder befristeter Ansprüche. Der Begriff der Betagung ist nicht im zivilrechtlichen Sinne – d. h. als hinausgeschobene Fälligkeit eines Anspruchs – zu verstehen[1]; ein betagter Rechtserwerb liegt vielmehr nur vor, wenn dieser erst von einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt ab Rechtswirkungen äußert, z. B. weil die Fälligkeit einer Kapitalforderung so unbestimmt ist, dass sie rechnerisch nicht abgezinst werden kann.[2]

 

Rz. 35

Einen aufschiebend bedingten Erwerb gibt es bei der Erbeinsetzung nur für den Nacherben[3]; bei einem Vermächtnis[4] oder einer Schenkung auf den Todesfall[5] ist eine aufschiebende Bedingung ohne Weiteres zulässig.[6] Der Fall des unbedingten Erwerbs eines bedingten Anspruchs liegt vor, wenn der Erblasser einen Gegenstand unter einer im Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht eingetretenen aufschiebenden Bedingung erworben hat; der unbedingte Erwerb eines betagten Anspruchs kann gegeben sein, wenn in der Person des Erblassers Steuererstattungsansprüche entstanden, im Zeitpunkt des Erbfalls aber noch keine Steuerbescheide ergangen waren, aus deren Abrechnung sich die Ansprüche ergaben.[7]

 

Rz. 36

In beiden Fällen entsteht die Steuer erst mit dem Eintritt der Bedingung oder des Ereignisses. Die Rechtsfolgen sind aber insofern unterschiedlich, als der Eintritt der Bedingung oder des Ereignisses im 1. Fall zu einem selbstständigen Erwerb führt, der unter den Voraussetzungen des § 14 ErbStG mit früheren Erwerben zusammenzurechnen ist. So verhält es sich etwa, wenn ein Miterbe zusätzlich mit einem aufschiebend bedingten Vermächtnis[8] oder eine Person mit mehreren Vermächtnissen bedacht wird, die an unterschiedliche erst nach dem Tod des Erblassers erfüllbare aufschiebende Bedingungen geknüpft sind.[9] Demgegenüber sind die aufschiebend bedingten, befristeten oder betagten Ansprüche im 2. Fall bereits mit dem Übergang auf den Erben oder den aus einem anderen Rechtsgrund Bedachten erworben. Im Fall des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses liegt deshalb nur ein Vorerwerb i. S. d. § 14 Abs. 1 ErbStG vor.[10]

 

Rz. 37

Unter Anspruch i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG ist nach § 194 BGB das Recht zu verstehen, von einem anderen ein Tun oder Verlassen zu verlangen. Der aufschiebend bedingte Erwerb anderer Wirtschaftsgüter ist im ErbStG nicht ausdrücklich geregelt; aus der analogen Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG bzw. der direkten Anwendung des § 4 BewG ergibt sich aber, dass auch ein solcher Erwerb erst mit Bedingungseintritt zu berücksichtigen ist.[11]

 

Rz. 38

Die Regelungen in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG gelten auch beim Erwerb durch Schenkung unter Lebenden. Denn nach § 1 Abs. 2 ErbStG gelten die Vorschriften über die Erwerbe von Todes wegen auch für Schenkungen unter Lebenden. Die eigenständige Regelung der Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden in § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG war allein deshalb erforderlich, weil die Steuerentstehung anders als beim Erwerb von Todes wegen nicht an den Tod des bisherigen Vermögensinhabers anknüpfen kann. Daraus folgt aber nicht, dass ihr die Bedeutung einer lex specialis gegenüber § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG zukommt.[12] Die Schenkung einer Forderung, hinsichtlich der eine Besserungsabrede getroffen wurde, ist daher erst mit Eintritt des Besserungsfalls ausgeführt.[13] Die freigebige Zuwendung eines Kommanditanteils unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Beschenkten in das Handelsregister ist schenkungsteuerlich bis zum Bedingungseintritt nicht zu berücksichtigen.[14]

 

Rz. 39

Gegenstand eines aufschiebend bedingten Erwerbs von Todes wegen bzw. einer Schenkung unter Lebenden können auch Gegenstände sein, die der Erblasser bzw. Schenker selbst unter einer aufschiebenden Bedingung erworben hat. In diesem Fall treffen 2 aufschiebende Bedingungen mit der Folge zusammen, dass der Erwerb durch den Bedachten bzw. Beschenkten erst bei Eintritt beider Bedingungen wirksam wird.[15]

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