Rz. 147

Von großer praktischer Bedeutung ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen die dem Erblasser vom Erwerber erbrachten Unterhalts-, Hilfs- und Pflegeleistungen als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind. Die Brisanz der Problematik ist dadurch leicht entschärft worden, dass der Freibetrag als angemessenes Entgelt für Pflege und Unterhalt[1] auf 20.000 EUR angehoben worden ist und ferner Geldzuwendungen im Rahmen des gesetzlichen Pflegegeldes gem. § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG steuerbefreit sind.

 

Rz. 148

Die Abzugsmöglichkeit von Nachlassverbindlichkeiten aus § 10 Abs. 5 ErbStG wird durch § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nicht ausgeschlossen.[2] Soweit allerdings § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG anzuwenden ist, kann der Freibetrag des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG daneben nicht gewährt werden.[3]

 

Rz. 149

Macht ein Erwerber von Todes wegen aufgrund erbrachter Unterhalts- und Pflegeleistungen Nachlassverbindlichkeiten geltend, so können ggf. Erblasserschulden i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vorliegen. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen dem Erwerber und dem Erblasser ein Schuldverhältnis (z. B. Dienstvertrag) bestand, aufgrund dessen dem Erblasser gegenüber dem späteren Erwerber ein Anspruch auf Pflege und Unterhaltsleistungen und dem späteren Erwerber ein Anspruch auf Vergütung gem. § 612 BGB zustand.[4] Erforderlich ist, dass ein eindeutiger vertraglicher Bindungswille erkennbar wird.[5] Die Feststellungslast (objektive Beweislast) bezüglich der als Gegenleistung geltend gemachten Vergütungs- oder Entschädigungsansprüche trifft den Stpfl.

 
Hinweis

Ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis begründet keine Ansprüche aus einem Dienstverhältnis und kann deshalb auch nicht gem. § 10 Abs. 5 ErbStG berücksichtigt werden. Es ist deshalb unbedingt ratsam, eine klare und verbindliche Vereinbarung in Gestalt eines Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrags abzuschließen.

 

Rz. 150

Wie die Praxis zeigt, gelingt der erforderliche Nachweis einer vertraglichen Vereinbarung häufig nicht. Es ist deshalb der Abschluss eines schriftlichen Vertrags zu empfehlen, zumal die vorgenannten Anforderungen an das Vorliegen eines Vertragsverhältnisses für Erleichterungen in der Beweisführung keinen Raum lassen.

 

Rz. 151

Eine tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung genügt für sich allein betrachtet nicht, um ein durch schlüssiges Verhalten zustande gekommenes Arbeitsverhältnis anzunehmen.[6] Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein Leistender einen Anspruch auf Vergütung hat, wenn dem Empfänger die entsprechenden Mittel zur Zahlung eines Entgelts zur Verfügung stehen. Eine vom Erben etwa angenommene moralische Verpflichtung reicht für den Abzug nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nicht aus. Bei einem langjährigen Zusammenleben von Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft ist für erbrachte Unterhalts- und Pflegeleistungen die Vermutung einer dienstvertraglichen Vereinbarung ausgeschlossen.[7] Ein nach den Grundsätzen der BGB-Innengesellschaft begründeter Ausgleichsanspruch für erbrachte Unterhalts- und Pflegeleistungen bei testamentarischer Erbeinsetzung eines Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft kommt nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nur in Betracht, wenn besondere Gründe für ein Gesellschaftsverhältnis vorliegen.[8]

 

Rz. 152

Bei einer nachgewiesenen zivilrechtlich gültigen Vereinbarung über Unterhalts- und Pflegeleistungen soll es für den Abzug nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG keine Rolle spielen, ob die Vereinbarung den einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen über den Fremdvergleich standhält.[9]

 

Rz. 153

Denkbar ist schließlich, dass einem Erwerber im Zusammenhang mit von ihm erbrachten Pflege- und Unterhaltsleistungen auch tatsächliche Sachkosten (Auslagen usw.) angefallen sind. Derartige Kosten sind bei Vorliegen eines hieraus resultierenden zivilrechtlichen Erstattungsanspruchs gegen den Erblasser gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig.

 

Rz. 154

Die Pflegeleistungen sind mit ihrem Kapitalwert im Zeitpunkt des Eintritts des Pflegefalls zu bewerten. Dieser ist auf den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung[10] unter Anwendung der Tabelle 1 zu § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen. Liegt Pflegebedürftigkeit i. S. d. § 15 SGB XI vor, kann der Jahreswert der Leistung nach § 15 BewG, soweit sich aus einer vertraglichen Vereinbarung nichts anderes ergibt, mit dem 12-fachen der in der gesetzlichen Pflegeversicherung gem. § 36 Abs. 3 SGB XI vorgesehenen monatlichen Pauschalvergütung bei Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen angesetzt werden.[11] Die gesetzliche Pauschalvergütung bei Pflegesachleistungen wurde durch das Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vom 28.5.2008[12] neu geregelt und schrittweise angehoben. Sie beträgt seit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsweiterentwicklungsgesetz – GWVG) vom 11.7.2021[13] abgestuft nach Pflegegraden:

 
  ab 1.1.2022
Pflegegrad 2 724 EUR
Pflegegrad 3 1.363 EUR
Pflegegrad 4 1.693 EUR
Pflegegrad 5 2.095 EUR
 

Rz. 155–169

einstweilen frei

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