Rz. 79

§ 10 Abs. 3 ErbStG gewährleistet "den Abzug von Schulden und Lasten, die durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit erloschen sind".[1] Die Tragweite des § 10 Abs. 3 ErbStG ist damit jedoch aus den nachfolgenden Gründen nur unvollständig umrissen.

 

Rz. 80

Nach Bürgerlichem Recht erlischt ein Schuldverhältnis, wenn sich Forderung und Schuld in einer Person vereinigen (sog. Konfusion). § 10 Abs. 3 ErbStG bestimmt hierzu, dass das infolge des Anfalls von Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit erloschene Rechtsverhältnis nicht als erloschen gilt. Die Vorschrift betrifft daher zunächst den in der vorzitierten Gesetzesbegründung angesprochenen Fall, dass der Erbe Gläubiger einer Forderung gegenüber dem Erblasser war. Diese Forderung (z. B. der Vergütungsanspruch, der einem Erben gegen den Erblasser wegen erbrachter Pflegeleistungen aufgrund Dienstvertrag zusteht), obgleich durch Konfusion erloschen, kann bei dem Erben aufgrund der Anordnung des § 10 Abs. 3 ErbStG noch als bereicherungsmindernd berücksichtigt werden.

Ein noch nicht verjährter Pflichtteilsanspruch vom Berechtigten, der den Verpflichteten beerbt hat, kann noch nach dem Tod des Verpflichteten geltend gemacht werden.[2] Die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG reicht jedoch nicht so weit, dass der durch Konfusion erloschene Pflichtteilsanspruch auch dann noch geltend gemacht werden könnte, wenn er zivilrechtlich bereits verjährt war.[3]

 

Rz. 81

§ 10 Abs. 3 ErbStG betrifft jedoch auch den umgekehrten Fall, in dem der Erblasser eine Forderung gegen den Erben hatte. Durch die Vorschrift wird nicht nur der Fortbestand der Gläubigerstellung, sondern auch der Fortbestand der Schuldnerstellung fingiert, sodass der zivilrechtlichen Erlöschen von Forderung und Schuld bei der Berechnung der Erbschaft- und Schenkungsteuer keine Bedeutung zukommt. Aufgrund der Konfusion wird der Erbe zwar zivilrechtlich von seiner Verbindlichkeit befreit. Die darin liegende Bereicherung des Erben ist jedoch nach § 10 Abs. 3 ErbStG bei ihm steuerlich als bereicherungserhöhend zu erfassen.[4]

 

Rz. 82

Die Berichtigung des Kapitalwerts des Nutzungsvorteils aus einer zinslosen Stundung einer Forderung gem. § 14 Abs. 2 S. 1 BewG ist nicht durch § 10 Abs. 3 ErbStG ausgeschlossen.[5]

 

Rz. 83

Der Konfusion entsprechende Folgerungen treten auch ein, wenn sich ein Recht und eine darauf beruhende Belastung durch den Vermögensanfall in einer Hand vereinigen (sog. Konsolidation). Sie tritt u. a. beim Nießbrauch des Erben an beweglichen Sachen[6] und Rechten[7] des Erblassers ein. In solchen Fällen ist § 10 Abs. 3 ErbStG unmittelbar anwendbar. Beschränkt dingliche Rechte an Grundstücken bleiben jedoch gem. § 889 BGB trotz des Zusammentreffens von Grundstückseigentum und Belastung bestehen; gleichwohl dürfte auch in diesem Fall § 10 Abs. 3 ErbStG entsprechend anzuwenden sein. Erwirbt daher der Nießbrauchsberechtigte das belastete Grundstück von Todes wegen, so kann der Kapitalwert des Nießbrauchs vom Steuerwert des Grundstücks abgezogen werden. Wird dem Nießbraucher das Grundstück durch Schenkung unter Lebenden übertragen, so kann die Nießbrauchslast wie eine Nutzungs- oder Duldungsauflage mit dem Steuerwert des Grundstücks saldiert werden.

 

Rz. 84

Der Eintritt dieser Fiktionswirkung des § 10 Abs. 3 ErbStG setzt voraus, dass Rechtsverhältnisse durch Konfusion bzw. Konsolidation zivilrechtlich erlöschen.

 

Rz. 85

Dies ist nicht der Fall, wenn ein auflösend bedingter Anspruch nicht als Folge einer Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit, sondern wegen Eintritts der auflösenden Bedingung untergeht.[8] Gleiches gilt, wenn eine Verbindlichkeit (z. B. die Verpflichtung zur Zahlung einer lebenslänglichen Rente) unmittelbar mit dem Tode des Berechtigten erlischt; zu einer Konfusion kann es hier nicht mehr kommen. Eine Bereicherung des bis zu diesem Zeitpunkt Verpflichteten tritt daher nicht ein; § 10 Abs. 3 ErbStG ist hier unanwendbar. Gleiches gilt für den Wegfall eines dem Erblasser auf Lebenszeit eingeräumten Nießbrauchsrechts. Keine Konfusion – mit der Folge der Unanwendbarkeit des § 10 Abs. 3 ErbStG – ist auch bezüglich eines auf einen Sozialhilfeträger übergeleiteten Rückforderungsanspruchs des Schenkers gegenüber dem Beschenkten aus § 528 BGB gegeben, sofern der Beschenkte zugleich Erbe des Schenkers wird.[9]

 

Rz. 86

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass gem. § 1976 BGB eine zunächst durch Konfusion erloschene Verbindlichkeit des Erblassers gegenüber dem Erben wieder auflebt, falls später eine Nachlassverwaltung angeordnet oder ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird. Damit entfallen nachträglich die Anwendungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 3 ErbStG.

 

Rz. 87–94

einstweilen frei

[1] BT-Drs. VI/3418, 66.
[2] BFH v. 19.2.2013, II R 47/11, BStBl II 2013, 332; diese Rspr. wendet formal die zivilrechtlichen Vorgaben an. Dabei gerät jedoch außer Augen, dass der Letzterbe in solchen Konstellationen zumeist nicht den Pflichtteil gegenüber dem überlebenden Elternteil geltend gemacht hätte. Man darf mutmaßen,...

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