Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der Arbeitnehmereigenschaft von Zustellern eines kostenlosen Wochenblatts

 

Leitsatz (amtlich)

Austräger eines kostenlosen Wochenblatts sind i.d.R. als Arbeitnehmer des Zeitungsverlags anzusehen, weil sie weder ein Unternehmerrisiko tragen noch Unternehmerinitiative entfalten können und auf Grund der Ausführung einer lediglich einfachen Tätigkeit einer Weisungsabhängigkeit unterliegen. Dem Gesichtspunkt, dass sich die Austräger Hilfspersonen bedienen und auch für weitere Auftraggeber tätig werden können, kommt hierbei im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung keine entscheidende Bedeutung zu.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 42d; LStDV § 1 Abs. 2-3

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 09.11.2004; Aktenzeichen VI B 150/03)

 

Tatbestand

Vorliegend ist in Streit, ob die Zusteller von kostenlosen Wochenblättern Arbeitnehmer der Klägerin sind. Die Klägerin gibt wöchentlich erscheinende Amts- und Mitteilungsblätter für etwa 60 Gemeinden in einer Stückzahl von jeweils ca. 5.000 heraus. Die Gesamtanzahl von 300.000 Exemplaren wird von etwa 1.800 Austrägern an die Haushalte kostenlos verteilt. Als Vergütung zahlte die Klägerin an die Austräger in den Streitjahren 0,08 DM pro ausgeliefertem Exemplar sowie weitere 0,01 DM bzw. 0,02 DM pro Beilagenexemplar. Ein Verteilerbezirk umfasst durchschnittlich 150 bis 300 Haushalte, im Ausnahmefall auch nur 7 oder im Extremfall 1.612 Haushalte (vgl. Bl. 178 f. der Lohnsteuerakte).

Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 01.01.1997 bis 31.12.2000 stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin von ihren Austrägern keine Lohnsteuerkarten angefordert hatte. Im Kalenderjahr 1997 hatte die Klägerin die Zahlungen an ihre Austräger nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Im Jahr 1998 und für die Monate Januar 1999 bis August 1999 hatte die Klägerin die Trägervergütungen mit einem Prozentsatz von 3,56 v.H. und für die Monate September 1999 bis Dezember 2000 mit einem Prozentsatz von 5,77 v.H. dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Der Lohnsteueraußenprüfer unterwarf die Zahlungen an die Zusteller für den Prüfungszeitraum 01.01.1997 bis 31.12.2000 mit einer jährlich linear steigenden Anpassung von 4,16 v.H. bis 5,77 v.H. der Vergütungen. Hinsichtlich dieser Prozentsätze bestand zwischen dem Prüfer und der Klägerin Einvernehmen.

Mit Bescheid vom 29. August 2001 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung der Lohnsteueranmeldungen auf und nahm die Klägerin im Wege der Haftung nach § 42 d des Einkommensteuergesetzes -EStG- hinsichtlich der Nachforderung an Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 137.767,49 DM in Anspruch. Der hiergegen eingelegte Einspruch, der damit begründet wurde, dass die Austräger keine Arbeitnehmer, sondern selbständige Kleinspediteure seien und demzufolge die Zustellervergütungen nicht dem Lohnsteuerabzug unterlägen, blieb erfolglos.

Der Beklagte wies mit Entscheidung vom 22. Oktober 2001 den Einspruch als unbegründet zurück. Er vertrat den Standpunkt, dass die Austräger nach dem Gesamtbild der Verhältnisse Arbeitnehmer i.S. des § 1 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung -LStDV- seien. Denn ihre Tätigkeit erscheine als abhängige fremdbestimmte Arbeit, die durch die Einbindung des Verteilers in die betriebliche Organisation der Klägerin ohne Entwicklung einer Unternehmerinitiative und ohne Übernahme eines unternehmerischen Risikos gekennzeichnet sei. Die Tätigkeit der Austräger beschränke sich auf das Verteilen der Amts- und Mitteilungsblätter an jeden Haushalt im Verteilerbezirk. Damit verrichteten die Austräger einfachste Arbeiten, für die keinerlei besondere Qualifikation erforderlich sei. Bereits wegen der Einfachheit der Arbeiten seien die Zusteller damit weitgehend in der Ausübung ihrer Arbeiten festgelegt. Die erforderliche Weisungsgebundenheit und Eingliederung der Austräger in den Betrieb der Klägerin ergebe sich bereits aus der Zuweisung eines bestimmten Verteilerbezirkes sowie aus den zeitlichen Vorgaben, wonach bestimmtes Druckmaterial innerhalb einer bestimmten Frist zu verteilen sei. Die Zusteller entfalteten auch keine Unternehmerinitiative, denn sie hätten keine Entscheidungsfreiheit, ob überhaupt, in welchem Umfang und wem gegenüber sie ihre Tätigkeit entfalteten. Ihre Tätigkeit sei geprägt durch die organisatorischen Vorgaben der Klägerin hinsichtlich der Zuweisung eines bestimmten Verteilerbezirkes einschließlich der Überlassung konkreter Kundenlisten und der Festlegung eines zeitlichen Rahmens, innerhalb dessen die Amts- und Mitteilungsblätter zu verteilen seien. Auch das jeweilige Arbeitspensum eines Austrägers sei ausschließlich von der Größe des zugewiesenen Verteilerbezirks, d.h. von der Zahl der Haushalte im Verteilerbezirk, abhängig. Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses stehe auch nicht entgegen, dass der Zusteller bei Ausübung seiner Tätigkeit von der Klägerin nicht überwacht werde, da sich die Klägerin bei entsprechenden Vertragsverletzungen durch die Möglichkeit der ...

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