Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerbefreiung bei Leistungen an eine Bank im Zusammenhang mit dem Betrieb von Geldautomaten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die nach der höchstrichterlichen Rspr. des EuGH und BFH maßgeblichen spezifischen und wesentlichen Funktionen des Umsatzes im Zahlungsverkehr bestehen darin, unter entsprechender Verbuchung eine Übertragung von Bargeld zu bewirken.

2. Zur Prüfung im Einzelfall, ob der Leistungsbeitrag die spezifischen und wesentlichen Funktionen des solchermaßen konkretisierten Umsatzes erfüllt, ist der ausgegliederte Leistungsteil zum gesamten Leistungserstellungsprozess in Bezug zu setzen. Nach Maßgabe dieser Inbezugsetzung ist sodann zu prüfen, ob der Leistungsbeitrag des Dienstleisters funktionell spezifisch und wesentlich für den steuerbefreiten Umsatz im Zahlungsverkehr ist.

3. Zur von der Rspr. geforderten Herbeiführung rechtlicher und finanzieller Änderungen durch die Leistungen des Dienstleisters kommt es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darauf, zwischen wem sich der Eigentumswechsel an den Geldscheinen, die am Automaten ausgegeben werden, vollzieht.

 

Normenkette

EWGRichtl 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3; UStG § 4 Nr. 8 Buchst. d

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.11.2019; Aktenzeichen V R 30/19 (V R 6/15))

BFH (Urteil vom 13.11.2019; Aktenzeichen V R 30/19)

BFH (Beschluss vom 28.09.2017; Aktenzeichen V R 6/15)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit nach § 4 Nr. 8 d Buchst. UStG steuerfrei sind.

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Sie wurde mit notariellem Vertrag vom 12.07.2001 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist die Versorgung, Wartung und Instandhaltung von Geldautomaten, Selbstbedienungsterminals und anderen vergleichbaren Produkten, die damit verbundene Datenverarbeitung, Erwerb und Anmietung von Grundstücken und Gebäuden sowie sonstige Geschäfte, die mit den o.g. Tätigkeiten zusammenhängen oder ihnen dienlich sind. Ausgeschlossen sind solche Tätigkeiten, die nach § 32 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) einer Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften oder Erbringung von Finanzdienstleistungen bedürfen.

Das Stammkapital von nominell 25.000,00 € wird zu 100 v.H. von der M Ltd. gehalten.

Die Klägerin erbringt Dienstleistungen für Banken (als Automatenbetreiber) im Zusammenhang mit dem Betrieb von Geldautomaten; im Streitfall handelte es sich bei den Kunden, die Bargeld an diesen Automaten abhoben, im Regelfall um Kunden anderer, fremder Banken. Ausgangspunkt des für den Veranlagungszeitraum 2005 geführten Rechtsstreits sind Leistungen, die die Klägerin auf der Grundlage eines Vertrages vom 21. Mai 2002 (Bl. 254 - 288 PA) mit der A Bank Österreich, Niederlassung Deutschland erbracht hat; die A Bank wurde später von der B Bank übernommen und diese wiederum sodann von der C Bank. Der Vertrag vom 21. Mai 2002 entspricht vollinhaltlich einem Vertrag vom 24. Juni 2002 zwischen der A Bank Österreich, Niederlassung Deutschland und der "D GmbH (umzubenennen in: M Deutschland GmbH)"; dieser letztgenannte Vertrag wurde bereits im Einspruchsverfahren in der englischen Originalfassung vorgelegt (Bl. 111 - 145 Vertragsakte) mit Übersetzung (Bl. 72 - 110 Vertragsakte).

Die Vereinbarung vom 21. Mai 2002 ("Miet-, Wartungs- und Processing-Vertrag über Geldautomaten - GAA") betrifft das sogenannte Nichtfilialgeschäft. Ein am 29. Juli 2004 mit zwei ergänzenden Vereinbarungen vom 6. August 2004 geschlossener Vertrag über eine "Vereinbarung zu Leasing, Wartung und Bearbeitung in Bezug auf Geldautomaten" zwischen der B Bank GmbH mit Sitz in H und der Klägerin betrifft das sogenannte Filialgeschäft und ist im vorliegenden Klageverfahren nicht Grundlage der streitbefangenen Leistungen.

Im Streitjahr (wie auch im gesamten Zeitraum 2002 bis 2006 sowie danach) wurden keine Rechnungen in Papierform von Seiten der Klägerin für die von ihr erbrachten Leistungen ausgestellt. Es wurden lediglich Abrechnungen in Dateiform erstellt und elektronisch übersandt; ein Ausweis von Umsatzsteuer erfolgte dabei nicht.

In der am 06.12.2006 abgegebenen Umsatzsteuererklärung des Streitjahres erklärte die Klägerin u.a. steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 9.056.170,00 € sowie abzugsfähige Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern i.H.v. 860.564,18 €.

Mit Schreiben vom 07.02.2007, eingegangen beim Finanzamt M am 13.02.2007, reichte die Klägerin eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ein. Unter Hinweis auf die EuGH-Rechtsprechung vom 05.06.1997, C-2/95, behandelte die Klägerin die bisher gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze i.H.v. 9.056.170,00 € nunmehr gemäß § 4 Nr. 8 d UStG als steuerfrei. Die bisher abzugsfähigen Vorsteuerbeträge sollten auf 0,00 € berichtigt werden. Die Klägerin berechnete sich für das Streitjahr einen Erstattungsbetrag i.H.v. 526.282,80 €.

Zur Begründung führte die Klägerin sinng...

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