Revision eingelegt (BFH III R 53/12)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Nachzahlungszinsen bei Liquiditätsvorteilen des Schuldners der Steuernachforderung

 

Leitsatz (redaktionell)

Es ist Sinn und Zweck des § 233a AO, den Zinsvorteil des Steuerpflichtigen und den Zinsnachteil des Steuergläubigers auszugleichen, ohne dass es auf eine konkrete Berechnung der tatsächlich eingetretenen Zinsvorteile und Zinsnachteile ankommt. Die Rechtfertigung für die Entstehung einer solchen steuerlichen Nebenleistung ist nicht nur im abstrakten Zinsvorteil des Steuerschuldners, sondern auch in einem ebensolchen Nachteil des Steuergläubigers zu sehen.

 

Normenkette

AO §§ 227, 233a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 03.07.2014; Aktenzeichen III R 53/12)

 

Tatbestand

Streitig ist der Erlass von Zinsen gem. § 233a AO.

Die Kläger sind Ehegatten. Der Kläger erzielt u. a. gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 EStG aus seiner Beteiligung an der Fa. B GmbH & Co. KG, 1 . Im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung der A -Gruppe, der die KG angehört, wurden die dem Kläger zuzurechnenden Beteiligungsergebnisse wie folgt erhöht:

1997

1.407.835 €

1998

1.268.744 €

1999

1.551.390 €

Grundlage dieser Erhöhungen war eine im Rahmen der genannten Betriebsprüfung erzielte tatsächliche Verständigung über die Streitfrage, in welcher Höhe im Rahmen der Geschäftsbeziehungen der A Handels GmbH und Co. KG zu ihrer ausländischen Schwestergesellschaft, der Fa. C , EU-Land zu Lasten des inländischen Ergebnisses unangemessen hohe Vermögensvorteile zugewendet wurden, und ob insoweit eine Verrechnungspreiskorrektur durchzuführen sei.

Am 06.02.2007 erließ das Finanzamt den BP-Feststellungen Rechnung tragende geänderte Einkommensteuerbescheide 1997 – 1999. Mit gleichem Datum ergingen entsprechende Zinsbescheide, in denen Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO für die einzelnen Jahre in folgender Höhe festgesetzt wurden:

1997

622.555 €

1998

591.802 €

1999

659.600 €

Mit Bescheid vom 06.02.2007, geändert am 09.03.2007, wurden aufgrund freiwilliger Zahlungen die Zinsen gem. § 227 AO teilweise erlassen:

1997

5.972,00 €

1998

60.862,50 €

1999

1.730,00 €

Mit Schreiben vom 07.03.2007 beantragte der steuerliche Berater des Klägers einen weiteren Erlass hinsichtlich der Nachzahlungszinsen für Teilbeträge in Höhe von 310.991 € für 1997, 244.487 € für 1998 und in Höhe von 244.344 € für 1999 aus Billigkeitsgründen gem. § 227 AO. Die Zinsen seien im vorliegenden Fall auf die Verrechnungspreiskorrektur entsprechend der tatsächlichen Verständigung zurückzuführen. Zweck der Regelung des § 233a AO sei die Abschöpfung von Zins- und Liquiditätsvorteilen aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Für eine Verzinsung von Steuernachforderungen bestehe kein Raum, wenn zweifelsfrei feststehe, dass der Steuerpflichtige durch die verspätete Festsetzung keinen Vorteil erlangt habe. Die durch die Betriebsprüfung veranlassten Verrechnungspreiskorrekturen hätten nicht dazu geführt, dass per saldo ein steuerliches Mehrergebnis auszuweisen gewesen wäre. Es sei lediglich zu einer Verschiebung des Steuerzugriffs zwischen Deutschland und EU-Land gekommen. Dies bedeute, dass die Gewinne im Entstehungsjahr grundsätzlich zutreffend versteuert worden seien. Durch die Versteuerung im Entstehungsjahr und dem damit verbundenen Abfluss von Ertragsteuern habe keine Liquidität zur Verfügung gestanden, die Basis einer Verzinsung nach § 233 a AO hätte sein können. Zudem sei im EU-Land erst ab 2001 die Verzinsung eingeführt worden, so dass keine korrespondierenden Erstattungszinsen zugunsten des Klägers gegenüber stünden. Deshalb stehe zweifelsfrei fest, dass der Kläger durch die Einkommensverschiebung keinerlei Vorteile in Form einer möglichen Kapitalnutzung gehabt habe und den Nachzahlungszinsen in Deutschland keinerlei Erstattungszinsen im EU-Land gegenüber stünden.

Mit Bescheid vom 02.08.2007 lehnte das Finanzamt den beantragten Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen mit der Begründung ab, Sinn und Zweck der Verzinsung nach § 233a AO sei nicht nur die Abschöpfung von konkreten und möglichen Liquiditätsvorteilen aufseiten des Steuerpflichtigen; die Verzinsung solle auch Liquiditätsnachteile auf Seiten des Steuergläubigers ausgleichen. Außerdem habe der Gesetzgeber die Vorschrift des § 233a AO bewusst verschuldensunabhängig ausgestaltet. Die Frage der Erhebung von Nachzahlungszinsen bei Gewinnverlagerungen sei im Rahmen der Anhörung zum Gesetzentwurf (vgl. BT-Drucksache 11/2536 S. 22) erörtert worden. Da der Gesetzgeber hierzu keine Zinsbefreiung getroffen habe, habe er im Hinblick auf die Praktikabilität der Vollverzinsung die durch die Gewinnverlagerung eintretenden Härten grundsätzlich in Kauf genommen. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes bewusst in Kauf genommen habe, könnten jedoch keinen Billigkeitserlass rechtfertigen.

Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte der steuerliche Vertreter der Kläger mit Schreiben vom 24.08.2007 Einspruch ein. In se...

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