Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer bei Nichtabführung der gegenüber dem Entrichtungsschuldner ausgewiesenen und abgezogenen Kapitalertragsteuer in einem betrügerischen Schneeballsystem

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer tritt auch dann ein, wenn die Kapitalertragsteuer nicht angemeldet und an das Finanzamt abgeführt wird, sondern lediglich dem Anleger gegenüber in einer Abrechnung ausgewiesen und abgezogen wird.

 

Normenkette

EStG § 43 Abs. 5 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.10.2020; Aktenzeichen VIII R 3/20)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei einem betrügerischen Schneeballsystem die Abgeltungswirkung des § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG auch dann eintritt, wenn die Kapitalertragsteuer nicht angemeldet und an das Finanzamt abgeführt wurde, sondern lediglich dem Anleger gegenüber in einer Abrechnung ausgewiesen wurde.

Der Kläger wurde in den Streitjahren 2010 - 2013 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte Einkünfte aus einem gewerblichen Kfz-Handel, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung.

Der Kläger überwies in den Jahren 2010 - 2013 an Vermögensverwalter B Geld für Aktienkäufe im Rahmen von dessen Vermögensverwaltung "Z", die in Wirklichkeit jedoch nicht oder nicht vollständig getätigt wurden. B bescheinigte dem Kläger erhebliche Gewinne aus dem Verkauf der angeblich erworbenen Akten. Auf diesen Abrechnungen wies er den rechnerisch zutreffenden Einbehalt von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag aus. Diese Beträge führte er jedoch nicht an das Finanzamt ab. Die verbliebenen Gewinne zahlte B an den Kläger aus. Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 und 3 EStG erstellte B nicht. B rechnete die Verkäufe jeweils ab wie folgt (Beispiel vom 11.02.2013; i. Ü. wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen):

Verkaufserlös aus Verkauf 250 Y-Aktien zu je 588,00 €

147.000,00 €

abzüglich Bankkosten

2.205,00 €

abzüglich Kosten B

7.350,00 €

abzüglich Abgeltungssteuer (25 %)

20.573,75 €

abzüglich Solidaritätszuschlag (5,5 %)

1.131,56 €

Ergebnis

115.739,69 €

Einkaufswert am 19.12.2011

62.500,00 €

Berechnung für die Abgeltungssteuer

82.295,00 €

Gewinn/Verlust nach Abzug aller Kosten

53.239,69 €

Überweisung am 11.02.2013

25.739,69 €

Überweisung am 12.02.2013

25.000,00 €

Überweisung am 13.02.2013

25.000,00 €

Überweisung am 19.02.2013

20.000,00 €

Überweisung am 22.02.2013

20.000,00 €

Summe

115.739,69 €

Bei Aufdeckung des Schneeballsystems am 05.06.2013 hatte der Kläger noch 336.740 € bei B angelegt. Diesen Betrag meldete er bei der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des B zur Tabelle an.

Die von B nach dessen Angaben getätigten Veräußerungsgeschäfte blieben im Rahmen der ursprünglichen Einkommensteuerveranlagungen unberücksichtigt (Einkommensteuerbescheid 2010 vom 02.12.2013, 2011 vom 06.06.2013, 2012 vom 06.06.2013 und 2013 vom 10.11.2015).

Im Rahmen einer beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung wurden die steuerlichen Einkünfte aus den (angeblichen) Veräußerungsgeschäften wie folgt berechnet (wiederum Beispiel vom 11.02.2013):

Verkaufserlös aus Verkauf 250 Y-Aktien zu je 588,00 €

147.000,00 €

abzüglich Bankkosten

2.205,00 €

abzüglich Kosten B

7.350,00 €

abzüglich Kaufpreis

62.500,00 €

abzüglich Kurssicherungskosten

12.500,00 €

stl. Einkünfte

74.945,00 €

Aufgrund dieser Feststellungen ergingen am 28.02.2017 gem. § 164 Abs. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2013, mit denen die Einkommensteuer 2010 um 42.229 € auf 149.416 €, 2011 um 39.402 € auf 155.560 €, 2012 um 72.796 € auf 125.784 € und 2013 um 22.929 € auf 110.132 € heraufgesetzt wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jeweils aufgehoben.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigten, Einspruch ein. Er machte geltend, dass aufgrund des Einbehalts der Kapitalertragssteuer durch B die Abgeltungswirkung gem. § 43 Abs. 5 EStG eingetreten sei.

Mit gem. § 172 AO geänderten Bescheiden vom 12.01.2018 wurden die Veräußerungsgewinne nur noch mit den Beträgen angesetzt, die nach der Kürzung um die durch B einbehaltene Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag verblieben. Die Einkommensteuer 2010 wurde auf 134.753 €, 2011 auf 142.834 €, 2012 auf 105.502 € und 2013 auf 103.453 € herabgesetzt. Dabei wurden noch folgende Veräußerungsgewinne angesetzt, die gem. § 32d Abs. 3 EStG zu 25 % der tariflichen Einkommensteuer (gemindert um den Sparerpauschbetrag) hinzugerechnet wurden:

lt. Bp

KapSt

Soli

Veräußerungsgewinn

2010

159.094 €

55.595,81 €

3.057,77 €

100.439 €

2011

153.310 €

48.248,63 €

2.653,67 €

102.406 €

2012

279.267 €

76.900,07 €

4.229,51 €

198.138 €

2013

79.369 €

25.323,56 €

1.392,80 €

52.923 €

Mit Einspruchsentscheidung vom 15.08.2018 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auch Scheinrenditen zu steuerbaren Einnahmen führten. Durch den schlichten Ausweis von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auf einem fingierten Depotauszug sei keine Abgeltungswirkung...

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