Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von Kindergeldansprüchen an den Sozialleistungsträger

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Im Verhältnis zwischen Familienkasse und Sozialleistungsträger besteht grundsätzlich eine nachrangige Verpflichtung des Sozialleistungsträgers.

2) Ein Erstattungsanspruch des nachrangigen Sozialleistungsträgers besteht nicht, wenn der nachrangige Leistungsträger seine Leistung auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen.

3) Sofern die Auszahlung von Kindergeld für den Monat der Geburt eines Kindes aufgrund der Bearbeitungsdauer unter keinen Umständen bereits im Monat der Geburt möglich ist, hat der Sozialleistungsträger auch keinen Anspruch auf Erstattung des Kindergelds für diesen Monat.

 

Normenkette

SGB X §§ 103-104; SGB II § 11; EStG § 74

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte das gegenüber dem Kläger festgesetzte Kindergeld zu Recht an den Beigeladenen erstattet hat.

Der Kläger bezog für den Monat Mai 2015 zunächst für sich, seine Ehefrau und das am xx.05.2008 geborene Kind F Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II vom Beigeladenen. Dieser teilte der Beklagten mit Schreiben vom 28.5.2015 mit, dass die Ehefrau des Klägers mit Zwillingen schwanger sei und machte einen Erstattungsanspruch gemäß §§ 102 ff. SGB X geltend.

Tatsächlich waren die Zwillinge B und C bereits am xx.05.2015 geboren worden. Hierfür beantragte der Kläger unter Vorlage der Geburtsurkunden vom xx.05.2015 Kindergeld. Der Beigeladene teilte der Beklagten mit Schreiben vom 25.6.2015 mit, dass ab dem 1.6.2015 kein Erstattungsanspruch mehr geltend gemacht werde. Tatsächlich bezog der Kläger ab Juni 2015 keine Leistungen nach dem SGB II von der Beigeladenen mehr.

Die Beklagte setzte daraufhin Kindergeld gegenüber dem Kläger in der gesetzlichen Höhe für die Zwillinge ab Mai 2015 fest, zahlte den Anspruch für den Monat Mai 2015 in Höhe von 373,99 € jedoch nicht an den Kläger, sondern an den Beigeladenen aus. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass in dieser Höhe ein Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. §§ 103, 104 SGB X bestehe.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Im Laufe des Einspruchsverfahrens erließ der Beigeladene einen geänderten Bewilligungsbescheid für Mai 2015, in dem er die Zwillinge zeitanteilig berücksichtigte und kein Kindergeld für diese anrechnete. Ein vom Kläger gegen den Beigeladenen geführtes Verfahren vor dem Sozialgericht Dortmund wurde in der Sitzung am 7.7.2016 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Nach Zurückweisung des Einspruchs durch die Beklagte hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass der Beigeladene bis zum Erlass des Kindergeldbescheides keine Sozialleistungen für die Kinder erbracht habe und daher kein Erstattungsanspruch bestanden habe. Vielmehr sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Auszahlung des Kindergeldes an den Kläger vorzunehmen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid über die Erstattung von Kindergeld an den Beigeladenen für den Monat Mai 2015 vom 2.7.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.2.2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die Erstattung für den Monat Mai 2015 zu Recht erfolgt sei, weil die Beigeladene dem Kläger Leistungen nach dem SGB II gewährt habe und hierbei kein Kindergeld für die Zwillinge angerechnet worden sei.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er ist der Ansicht, dass der Erstattungsanspruch gerade für die Fälle gedacht sei, in denen den Eltern für den Geburtsmonat Kindergeld zusteht, welches noch nicht ausgezahlt wurde und daher nicht angerechnet werden könne. Anderenfalls bedürfte es regelmäßig keine Anmeldung eines Erstattungsanspruchs. Der Beigeladene verweist auf eine Arbeitshilfe der Bundesagentur für Arbeit zur Anrechnung von Kindergeld bei Neugeborenen (Bl. 55 der Gerichtsakte).

In der Sache hat am 7.7.2017 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter stattgefunden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid über die Erstattung von Kindergeld an den Beigeladenen für den Monat Mai 2015 vom 2.7.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.2.2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Die Voraussetzungen für eine Erstattung nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. §§ 103, 104 SGB X liegen für den Monat Mai 2015 im Hinblick auf die Zwillinge B und C nicht vor. Gemäß § 74 Abs. 2 EStG gelten für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse u.a. §§ 103 und 104 SGB X entsprechend. § 103 SGB X ist vorliegend unstreitig nicht einschlägig, weil kein Anspruch auf bereits er...

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