Entscheidungsstichwort (Thema)

Folgenbeseitigungsanspruch bzw. Folgenentschädigungsanspruch der Gemeinde bei nicht übermitteltem Gewerbesteuermessbescheid

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Gemeinde steht kein Folgenbeseitigungsanspruch bzw. Folgenentschädigungsanspruch gegenüber dem Finanzamt in Höhe ausgefallener Gewerbesteuer zu, wenn das Finanzamt einen Gewerbesteuermessbescheid aufgrund eines Fehlers im technischen Verfahrensablauf nicht an die Gemeinde übermittelt hat und diese die Gewerbesteuer wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr erheben kann.

 

Normenkette

AO § 184 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 08.08.2018; Aktenzeichen IV B 67/17)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Folgenbeseitigungs- bzw. -entschädigungsanspruch für einen vom Finanzamt geänderten, aber nicht an die Gemeinde übermittelten Gewerbesteuermessbescheid.

Die Klägerin ist eine Gemeinde, in deren Gebiet die Firma C. GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG) ansässig ist. Der Beklagte ist als Finanzamt für die im Gebiet der Klägerin ansässigen Steuerpflichtigen zuständig.

Der Beklagte erließ gegenüber der KG für 2001 einen Gewerbesteuermessbescheid, der mehrfach aufgrund von Änderungsanträgen geändert wurde. Der Gewerbesteuermessbetrag belief sich im letzten Änderungsbescheid aus November 2003 auf 600.361,48 €. Sowohl den ursprünglichen Bescheid als auch die Änderungsbescheide übersandte der Beklagte auch an die Klägerin, die entsprechende Gewerbesteuerbescheide gegenüber der KG erließ.

Aufgrund einer vom Finanzamt für Groß- und Konzernprüfung D-Stadt (im Folgenden: GKBP) bei der KG für die Jahre 2000 bis 2003 durchgeführten Betriebsprüfung ergingen eine geänderte Zerlegungsmitteilung für das Jahr 2000 und geänderte Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2002 und 2003, die sowohl der Klägerin als auch der KG bekannt gegeben wurden. Für das Jahr 2001 erhöhte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag der KG mit Bescheid vom 15.6.2007 entsprechend den Prüfungsfeststellungen auf 2.100.350,– DM (= 1.073.891,90 €). Diesen Änderungsbescheid gab er gegenüber der KG bekannt, versandte ihn jedoch nicht an die Klägerin. Dementsprechend änderte die Klägerin auch die bisherige Gewerbesteuerfestsetzung für 2001 nicht.

Bei einer Betriebsprüfung der GKBP bei der KG für die Jahre 2007 bis 2010 stellte der Prüfer fest, dass eine von der KG für 2001 gebildete Gewerbesteuerrückstellung in Höhe von ca. 1,9 Mio. € noch immer bestand, und wandte sich im März 2013 telefonisch an die Klägerin. Aufgrund einer Nachfrage der Klägerin beim Beklagten teilte dieser mit, dass der Änderungsbescheid durch einen Fehler im technischen Verfahrensablauf nicht an die Klägerin versandt worden sei und übermittelte den Änderungsbescheid vom 15.6.2007 am 6.5.2013. Da zu diesem Zeitpunkt bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war, erließ die Klägerin keinen geänderten Gewerbesteuerbescheid für 2001.

Mit Schreiben vom 9.9.2013 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen Anspruch in Höhe von insgesamt 2.627.366,12 € geltend. Hierbei handelt es sich um die Differenz zwischen der aufgrund des im Jahr 2007 geänderten Gewerbesteuermessbescheids für 2001 festzusetzenden und der tatsächlich festgesetzten Gewerbesteuer (1.917.798,12 €) zuzüglich Zinsen in Höhe von 6% pro Jahr, berechnet gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) vom 1.4.2003 bis zum 31.5.2009 (709.568,– €). Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass der Beklagte seine Pflicht zur Übermittlung des Gewerbesteuermessbescheids an die Gemeinde aus § 184 Abs. 3 AO schuldhaft verletzt habe. Die Klägerin stützte ihr Zahlungsverlangen auf den allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch, Amtshaftung, öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung und den öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch.

Mit Schreiben vom 10.10.2013 wies die Oberfinanzdirektion Münster (im Folgenden: OFD) die gegen den Beklagten erhobenen Ansprüche zurück. Sie führte aus, dass die Klägerin keinen schadensersatzbewehrten Anspruch auf die Übersendung von Gewerbesteuermessbescheiden habe. Die Gemeinden hätten weder ein Recht auf den Erlass bestimmter noch auf die Übersendung später geänderter Steuermessbescheide. Es fehle auch ein einer einfachgesetzlichen Grundlage für einen Schadensersatzanspruch der Gemeinden aufgrund rechtswidrigen Verwaltungshandelns. Die Klägerin treffe zumindest ein Mitverschulden, weil sie aufgrund der geänderten Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2000, 2002 und 2003 hätte nachfragen müssen, ob auch für das Jahr 2001 ein geänderter Bescheid erlassen wurde.

Am 9.1.2014 hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht E-Stadt Klage erhoben, die zunächst gegen das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die OFD, gerichtet war. Die Klägerin stützt ihre Klage allein auf den allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch. Der Zulässigkeit der Klage stehe § 40 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht entgegen, weil diese Vorschrift nur Primäransprüche ausschließe. Der Beklagte habe in Ausübung öffentlicher Gewalt in rechtswidriger Weise in die ...

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