Entscheidungsstichwort (Thema)

Unentgeltliche Zuwendung i.S. von § 278 Abs. 2 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine Zuwendung i.S. des § 278 Abs. 2 AO ist jede Übertragung aus dem Verfügungsbereich eines Gesamtschuldners in den Verfügungsbereich des anderen Gesamtschuldners, der einen Wechsel in der dinglichen Zurechnung auslöst.

2) Unentgeltlich ist eine Zuwendung, wenn sie ohne Gegenleistung oder ohne marktübliche Gegenleistung erfolgt.

3) Unbenannte ehebedingte Zuwendungen sind unentgeltliche Zuwendungen i.S. des § 278 Abs. 2 AO.

4) Eine unentgeltliche Zuwendung liegt dann nicht vor, wenn ein Ehegatte die Einkünfte der Familie erzielt oder ganz überwiegend erzielt, während der andere Ehegatte den Haushalt führt und Zinsen und Tilgung für ein Darlehen, das der Finanzierung eines im Alleineigentum des nicht erwerbstätigen Ehegatten stehenden Familienheims dient, aus den Einkünften des erwerbstätigen Ehegatten bestritten werden.

 

Normenkette

BGB § 515; AO § 278

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.12.2019; Aktenzeichen VII R 18/17)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Ergänzungsbescheids nach § 278 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).

Die Klägerin ist verheiratet und wird mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommen steuer veranlagt. Im Jahr 2010 erzielte die Klägerin keine eigenen Einkünfte. Der Ehemann der Klägerin erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Klägerin und ihr Ehemann wohnen zusammen mit ihren zwei Kindern (geb. 2000 und 2004) in einem Einfamilienhaus in der A-Straße 1 in A-Stadt. Die Eheleute waren zunächst hälftige Miteigentümer des Hauses und hatten gemeinschaftlich am 17.11.2005 ein Darlehen zur Finanzierung des Objektes über 158.000 € aufgenommen. Mit Datum vom 07.02.2007 übertrug der Ehemann der Klägerin seinen hälftigen Miteigentumsanteil auf die Klägerin. Nach dem notariellen Kaufvertrag vom 07.02.2007 und der Veräußerungsanzeige des Notars vom 12.02.2007 handelte es sich insoweit um eine „ehebedingte Zuwendung”. Nach § 3 des notariellen Kaufvertrages wurden die Grundschulden von der Klägerin übernommen, der Zins- und Tilgungsdienst für die den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehen verblieb – ebenso wie die Darlehen selbst – bis zur vollständigen Tilgung anteilig beim Ehemann der Klägerin.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 14.12.2011 setzte der Beklagte die Einkommen steuer für das Jahr 2010 zunächst in Höhe von xxx € fest. Dabei ging er von Einkünften aus Gewerbebetrieb des Ehemannes in Höhe von xxx € und von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von xxx € aus. Diesem Bescheid lagen die Ergebnisse einer beim Ehemann der Klägerin durchgeführten Steuerfahndungsprüfung zugrunde.

Mit Bescheid vom 05.03.2012 teilte der Beklagte die rückständige Einkommensteuer 2010 auf Antrag der Klägerin gem. §§ 268-280 AO auf. Danach entfielen 100% des rückständigen Betrages in Höhe von xxx € (zzgl. xxx € SolZ) auf den Ehemann der Klägerin.

Ebenfalls mit Datum vom 05.03.2012 erging ein ergänzender Bescheid zur Aufteilung nach § 278 Abs. 2 AO. Mit diesem Bescheid minderte der Beklagte die kraft Gesetzes bestehende Vollstreckungsbeschränkung (§ 278 Abs. 1 AO) um einen Betrag in Höhe von 53.181,82 €.

Der Beklagte stützte dies zum einen darauf, dass die Klägerin eine Auslandsgutschrift in Höhe von 8.750 € erhalten habe. Des Weiteren berücksichtigte der Beklagte, dass die Klägerin alleinige Eigentümerin des von den Eheleuten bewohnten Einfamilienhauses A-Straße 1 in A-Stadt sei. Da die Klägerin keine eigenen Einkünfte erziele, sei davon auszugehen, dass ihr Ehemann sämtliche mit diesem Grundbesitz zusammenhängenden Aufwendungen durch unentgeltliche Zuwendungen an seine Ehefrau, die Klägerin, getragen habe.

Insgesamt ging der Beklagte in Bezug auf die Hauskosten von Zuwendungen in folgender Höhe aus:

Jahr

2010

2011

2012

Summe

Zins und Tilgung Baudarlehen

10.507,00 €

10.507,00 €

1.751,16 €

Übrige Finanzierungskosten (Schätzung)

5.000 €

5.000,00 €

833,33 €

Übrige laufende Hauskosten (Schätzung)

5.000 €

5.000,00 €

833,33 €

Summe

20.507,00 €

20.507,00 €

3.417,82 €

44.431,82 €

Gegen den ergänzenden Bescheid zur Aufteilung nach § 278 Abs. 2 AO legte die Klägerin am 05.04.2012 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass ihr Ehemann gegenüber ihr und seinen Kindern unterhaltspflichtig sei. Aufgrund der hohen Einkünfte des Ehemannes stünde ihr im Falle einer Trennung Trennungsunterhalt in Höhe von ca. xxx € sowie Kindesunterhalt in Höhe von xxx € jährlich zu. Hiervon könne sie die Hauskosten begleichen. Da Unterhaltsleistungen aber keine Schenkungen darstellten, sei der Ergänzungsbescheid rechtswidrig. Ferner seien Zuwendungen unter Lebenden nach § 13 Nr. 4a) ErbStG steuerfrei, wenn der eine Ehegatte den anderen Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder der Herstellung eines Familienheims freistelle. Folglich könne die Übernahme der Verpflichtungen auch nicht mittels eines Ergänzungsbescheides quasi durch die Hintertü...

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