Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Bilanz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn eine persönliche oder wirtschaftliche Unzumutbarkeit vorliegt, besteht ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf den Verzicht der Finanzbehörde auf elektronische Übermittlung des Inhalts der E-Bilanz.

2. Wirtschaftliche Unzumutbarkeit i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 und 2 AO liegt insbesondere dann vor, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre.

 

Normenkette

AO § 150 Abs. 8 Sätze 1-2; EStG § 5b

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hat, von der Pflicht gem. § 5b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Übermittlung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung (nachfolgend auch E-Bilanz) befreit zu werden.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Unternehmen für Dienstleistungen in den Bereichen Buchhaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnungen, Haus- und Wohnungsverwaltung, IT-Programmierung, -Beratung, -Schulung und -Systemeinführung, Unternehmensberatung, Personalberatung, Konzeption von Altersvorsorgesystemen, Organisation, Projektmanagement, Öffentlichkeitsarbeit und sonstige kaufmännische, organisatorische und logistische Dienstleistungen.

Alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin ist seit ihrer Gründung am 16.12.2004 Herr A. Er ist diplomierter Volkswirt sowie ausgebildeter und staatlich geprüfter Wirtschaftsinformatiker. Im Jahr 2016 erhielt er von der Klägerin ein Jahresgehalt i.H.v. 6.453,10 €.

Die Klägerin erzielte in den Jahren 2014 bis 2018 folgende wirtschaftliche Ergebnisse:

Jahr

Umsatz

Gewinn/Verlust

2014

112.096,80 €

1.645,77 €

2015

70.146,81 €

310,55 €

2016

57.948,90 €

-4.078,24 €

2017

59.377,62 €

- 4.672,61 €

2018

52.839,49 €

1.563,94 €

Die Klägerin übermittelt ihre Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuer-Voranmeldungen elektronisch an den Beklagten über das Portal Elster. Ihre weiteren steuerlichen Pflichten erfüllt sie seit ihrer Gründung ebenfalls ohne Unterstützung eines Steuerberaters.

Die Klägerin übermittelte die Bilanz und die GuV für das kalendergleiche Wirtschaftsjahr 2015 nach den Vorgaben des § 5b EStG elektronisch an den Beklagten. Dabei verwendete sie ein gesondertes Computerprogramm, ein sog. Hilfstool, das vom Bundesanzeiger Verlag angeboten wird.

In den Erläuterungen zum Körperschaftsteuerbescheid 2016 vom 24.05.2018 forderte der Beklagte die Klägerin für das Jahr 2016 zur Einreichung einer E-Bilanz auf (Bl. 130R der Körperschaftsteuerakte). Mit Schreiben vom 11.06.2018 wiederholte der Beklagte seine Aufforderung und erweiterte diese auch auf das Jahr 2017 (Bl. 140 der Körperschaftsteuerakte). Die Klägerin lehnte diese Aufforderung ab, da ihr der Begriff der „E-Bilanz” nicht bekannt sei (Schreiben vom 25.06.2018, Bl. 142 der Körperschaftsteuerakte). Der Beklagte drohte in der Folge wegen der ausstehenden E-Bilanz für das Jahr 2016 ein Zwangsgeld an (Bl. 143 der Körperschaftsteuerakte) und setzte dieses auch fest (Bl. 167 der Körperschaftsteuerakte). Die Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes waren Gegenstand eines von dem Geschäftsführer der Klägerin in eigenem Namen unter dem Az. 5 K 3530/18 beim Finanzgericht Münster gesondert geführten Klageverfahrens. Zwischen den Beteiligten war u.a. streitig, ob die Bescheide sich gegen die Klägerin oder gegen ihren Geschäftsführer persönlich richteten. Das Verfahren endete mit einer beidseitigen Erledigungserklärung der Beteiligten. Im Anschluss erklärte der Beklagte die Androhung und die Festsetzung des Zwangsgeldes für nichtig und gegenstandslos (Schreiben vom 12.04.2019, Bl. 184 der Körperschaftsteuerakte).

Unabhängig vom Klageverfahren des Geschäftsführers hatte die Klägerin bereits am 12.02.2019 (Bl. 192 der Körperschaftsteuerakte) beim Beklagten die Befreiung von der Pflicht, die Bilanz und die GuV nach Maßgabe der sich aus § 5b EStG ergebenden Vorgaben durch Datenfernübertragung einzureichen, beantragt. Die Erfüllung dieser Pflicht sei ihr bzw. ihrem Geschäftsführer wirtschaftlich nicht zumutbar. Die Unterstützung bzw. die Angebote der Finanzverwaltung für die Übermittlung seien unzureichend. Während sie, die Klägerin, über das Portal „Elster” ihre Lohn- und Umsatzsteuerdaten elektronisch übermitteln könne, würden unspezifizierte und ungerechtfertigte Fehlermeldungen die Übermittlung der eingegebenen Bilanzdaten und Daten zur GuV verhindern. Die von ihr eingesetzte Buchhaltungssoftware sei nicht XBRL-fähig und die von der Finanzverwaltung geforderten Angaben überstiegen die Gliederungsvorgaben des Handelsgesetzbuches. Die danach erforderliche Umstellung würde für sie einen sehr hohen und damit unzumutbaren Aufwand für Technik und Beratung bedeuten.

Der Beklagte lehnte den Antrag zunächst am 25.02.2019 ab (Bl. 194 der Körperschaftsteuerakte). Wegen bestehender Zweifel, ob die Klägerin in de...

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