Entscheidungsstichwort (Thema)

Adressierungsmangel eines an die Erben eines Verstorbenen gerichteten Einkommensteuerbescheids, der an einen Steuerberater "als Rechtsnachfolger" bekannt gegeben werden sollte

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Einkommensteuerbescheid, der sich an mehrere Erben richten soll, ist diesen gegenüber nur wirksam, wenn diese namentlich als Inhaltsadressaten aufgeführt sind oder diese sich durch Auslegung des Bescheids ermitteln lassen. Wird ein Bescheid an einen von mehreren Gesamtrechtsnachfolgern nur diesem "als Rechtsnachfolger" des Verstorbenen bekannt gegeben, ist diese Adressierung nicht mehrdeutig, sondern unrichtig, was zur Nichtigkeit des Bescheids gem. § 125 Abs. 1 AO führt.

 

Normenkette

AO § 124 Abs. 3, § 157 Abs. 1 S. 2, § 125 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.10.2015; Aktenzeichen VIII R 59/13)

BFH (Urteil vom 27.10.2015; Aktenzeichen VIII R 59/13)

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob ein an den Kläger „als Rechtsnachfolger” eines verstorbenen Steuerpflichtigen bekanntgegebener Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2005 wegen inhaltlicher, auf einem Adressierungsmangel beruhender Unbestimmtheit nichtig ist und – wenn nein – ob es der Beklagte zu Recht abgelehnt hat, gegenüber den Mitgliedern einer Erbengemeinschaft, der unter anderem auch der Kläger angehört, die Einkommensteuer auf der Grundlage einer von dem Kläger eingereichten Einkommensteuererklärung festzusetzen.

Der Kläger ist Steuerberater. In dieser Eigenschaft hatte ihm unter anderem auch sein Onkel, Herr J.H., den er auch schon früher steuerlich vertreten hatte, am 30.08.2004 schriftlich Vollmacht „zur Vertretung vor allen Finanzbehörden” erteilt.

Am 06.04.2006 verstarb Herr J.H., der vor seinem Tod in der N-straße in H gewohnt hatte, und wurde ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts H vom 21.03.2007 von Frau G.P., Frau B.S. und Herrn N.P. zu jeweils 1/9 sowie von Frau F.T. und dem Kläger zu jeweils 1/3 beerbt.

Am 27.03.2007 erließ der Beklagte für das Streitjahr einen Einkommensteuerbescheid, in dem er – auf der Grundlage einer Schätzung der von dem verstorbenen Herrn J.H. erzielten Einkünfte und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung – eine Einkommensteuer in Höhe 96.469,00 Euro festsetzte. Den Bescheid gab der Beklagte an „Herrn RA C. … als Nachlasspfleger für Herrn J.H.” bekannt.

Gegen diesen Bescheid legte Herr RA C., der nach Angaben von Frau F.T. in einem Schreiben an den Beklagten vom 29.01.2009 ursprünglich zum Betreuer des Herrn J.H. und nach dessen Tod für den Zeitraum 20.10.2006 bis 02.04.2007 als Nachlasspfleger bestellt worden war, mit Schreiben vom 04.04.2007 mit dem Bemerken, zwar sei seines Wissens nach die Nachlasspflegschaft bislang nicht aufgehoben, allerdings stünde zwischenzeitlich fest, wer Herrn J.H. beerbt habe und es sei auch bereits ein Erbschein erteilt worden, Einspruch ein, den der Beklagte mit an Herrn RA C. „als gesetzlicher Vertreter (Nachlasspfleger) für die Erben des verstorbenen J.H.” gerichteter und zugleich auch an diesen persönlich bekanntgegebener Einspruchsentscheidung vom 04.06.2007 als unbegründet zurückwies.

Mit Schreiben der Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatersozietät K GbR (in Folgendem: Sozietät K) vom 27.10.2008 wurde unter anderem auch für das Streitjahr eine Steuererklärung eingereicht, in der die von dem verstorbenen Herrn J.H. in dem Streitjahr erzielten Einkünfte erklärt wurden. Die Erklärung ist mit einer Unterschrift versehen, die augenscheinlich von Frau F.T. stammt, die ihrerseits dem Beklagten bereits mit Schreiben vom 07.10.2008 mitgeteilt hatte, dass „die Erben” die Sozietät K unter anderem auch mit der Erstellung der Steuererklärung für das Streitjahr beauftragt hätten. Die eingereichte Erklärung enthält darüber hinaus auch die ausdrückliche Anweisung, den zu erlassenen Steuerbescheid der Sozietät K zuzusenden.

Nachdem der Kläger von der Einreichung der Steuererklärungen erfahren hatte, wandte er sich mit Schreiben vom 17.11.2008 unter Hinweis darauf, dass er erst nachträglich erfahren habe, dass ohne sein Wissen und ohne seine Unterschrift Einkommensteuererklärungen eingereicht worden seien, die seines Erachtens mangels Unterschrift nichtig und auch nicht vollständig seien, an den Beklagten und forderte diesen auf, „die gesamten Vorgänge zwecks Vervollständigung an den steuerlichen Berater zurückzusenden”.

Auf der Grundlage der eingereichten Erklärungen sowie des Ergebnisses zwischenzeitlicher Ermittlungen erließ der Beklagte am 06.04.2009 unter anderem auch für das Streitjahr einen Einkommensteuerbescheid, in dem er unter Hinweis darauf, dass durch diesen Bescheid gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) der Bescheid vom 27.03.2007 geändert werde, eine Einkommensteuer in Höhe von 64.011,00 Euro festsetzte. Zugleich hob er den in dem geänderten Bescheid angeordneten Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Den Bescheid vom 06.04.2009 gab der Beklagte zum einen an die Sozietät K und zum anderen an den Kläger bekannt, allerdings in unterschiedlichen Versionen.

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