Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Anerkennung von Leistungen als steuerfreie Tätigkeit eines Versicherungsvertreters

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Anerkennung der steuerfreien Tätigkeit als Versicherungsvertreter kommt bei solchen Leistungen nicht in Betracht, bei denen wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit, wie Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen, fehlen.

2. Bei der Beurteilung der Vielzahl der einzelnen im Streitfall erbrachten Leistungselemente ist zu berücksichtigen, dass eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht in mehrere selbständige Leistungen zerlegt werden darf, wenn sie wirtschaftlich ein unteilbares Ganzes bilden.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 11

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.06.2021; Aktenzeichen V R 10/21 (V R 58/17))

BFH (Urteil vom 22.06.2021; Aktenzeichen V R 10/21)

BFH (Beschluss vom 05.09.2019; Aktenzeichen V R 58/17)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob die von der Klägerin erbrachten Leistungen in vollem Umfang als Umsätze eines Versicherungsvertreters oder -maklers umsatzsteu- erfrei sind.

Die Klägerin ist Assekuradeurin. Als Assekuradeurin entwickelt die Klägerin für Versicherer Versicherungsprodukte, stellt u.a. den direkten Kontakt zu Kunden her, pflegt diesen und führt eine Risikoanalyse von Versicherungsnehmern vor Versicherungsabschluss durch.

Im Streitzeitraum entwickelte und vermarktete die Klägerin im Wesentlichen die Versicherungsprodukte X, Y „Y”) und Z. Mit dem Versicherungsprodukt Y werden Schiffe und deren Crews gegen Piraterie versichert. Soweit Schiffe den Golf von Aden durchfahren und in dieser Risikozone von Piraten gekapert werden, werden mit dem Versicherungsprodukt Y hieraus entstehende Schäden für den Reeder versichert. Die Entwicklung und Vermarktung des Produkts Y steht exemplarisch auch für die Entwicklung und Vermarktung der weiteren Versicherungsprodukte der Klägerin.

Mit Datum vom 27.8.2012 reichte die Klägerin die Umsatzsteuererklärung für 2011 ein, in der sie sämtliche in diesem Verfahren streitigen Umsätze als nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei erklärte. Im Begleitschreiben zur Umsatzsteuererklärung führte sie aus, dass die durch den Beklagten erfolgte Ablehnung der in 2009 beantragten verbindlichen Auskunft auf der unzutreffenden Annahme des Beklagten beruhe, dass sie, die Klägerin, ein Versicherungsvermittler sei, der außerdem Back-Office-Tätigkeiten erledige. Bei ihr, der Klägerin, handele es sich aber nicht um einen Versicherungsvermittler, sondern um einen Assekuradeur. Ein Assekuradeur sei eher der Interessensphäre des Versicherers zuzuordnen als dies bei einem Versicherungsmakler der Fall sei. Exemplarisch habe sie, die Klägerin, betreffend das Versicherungsprodukt Y ein Konzept zur Optimierung der Sicherheit auf den zu versichernden Schiffen entwickelt. Nur die Schiffe, die dieses Sicherheitskonzept übernehmen würden, würden Versicherungsschutz erhalten können. Sie, die Klägerin, arbeite bei der Beurteilung des Sicherheitskonzepts auf den Schiffen mit dem Risikomanager der Firma U GmbH zusammen. Die Evaluierung des Risikos für den Versicherer erfolge allerdings durch sie, die Klägerin. Darüber hinaus übernehme sie, die Klägerin, die Policierung der Versicherung im Namen und für Rechnung des Versicherers. Im Schadensfall sei sie, die Klägerin, beauftragt, mit dem Risikomanager Kontakt aufzunehmen und die Schadensabwicklung im Namen und für Rechnung des Versicherers vorzunehmen. Sie, die Klägerin, fungiere wie eine Art ausgegliederte Spezialabteilung des Versicherers. Die Übernahme der Aufgaben des Versicherers durch sie, die Klägerin, unterliege der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Insoweit würden ihre, der Klägerin, Aufgaben weit über diejenigen eines Versicherungsmaklers oder -vermittlers hinausgehen. Die hieran anknüpfende Erhebung der Versicherungsbeiträge und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs (auch) im Schadensfall seien originäre Aufgaben des Assekuradeurs. Insoweit sei sie, die Klägerin, kein Dienstleister für die jeweilige Versicherung. In der Gesamtschau werde deutlich, dass ihre, der Klägerin, Tätigkeit eher der Tätigkeit einer Versicherung gleiche, als der eines Versicherungsmaklers. Ihre, der Klägerin, Tätigkeit sei jedenfalls nicht mit den Tätigkeiten eines Dienstleisters vergleichbar, die Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) gewesen seien (Urteil vom 3.3.2005 C-472/03, Arthur Andersen, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2005, 485). Der Dienstleister in jenem Fall sei weder als Assekuradeur noch als Versicherungsvertreter aufgetreten. Ihre, der Klägerin, Leistungen seien unter Berücksichtigung der nunmehr mitgeteilten Hintergrundinformationen als gemäß § 4 Nr. 11 UStG steuerfreie Leistungen anzusehen.

Den Leistungen der Klägerin liegen vertragliche Vereinbarungen mit Versicherungen zugru...

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