Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleichbarer Abzug als Sonderausgabe bei konfessionslosen Steuerpflichtigen

 

Leitsatz (redaktionell)

Es ist nicht unbillig im Sinne des § 163 AO, dass konfessionsgebundene Steuerpflichtige gezahlte Kirchensteuern als Sonderausgabe absetzen und konfessionslose Steuerpflichtige keinen entsprechenden Abzug vornehmen können.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1; AO § 163

 

Tatbestand

Streitig ist die abweichende Festsetzung der Einkommensteuer (ESt) 2012 aus Billigkeitsgründen gem. § 163 der Abgabenordnung (AO).

Der Kläger ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, gehört keiner Religionsgemeinschaft an und erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit sowie aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte setzte die ESt des Klägers erklärungsgemäß im Rahmen einer getrennten Veranlagung mit Bescheid vom 19.03.2014 auf 51.762,00 EUR fest.

Der Kläger erhob hiergegen Sprungklage vor dem Finanzgericht Münster (Az. 5 K 1216/14 E), mit der er zum einen die Prüfung der Frage begehrte, ob die Abzugsfähigkeit der gezahlten Kirchensteuer als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) darstelle, und zum anderen, ob der Abzug einer fiktiven Kirchensteuer (in Höhe von 6.973,00 EUR) als Sonderausgabe geboten sei, soweit das nach Art. 140 GG verankerte Recht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sind, Steuern zu erheben, verfassungsmäßig nicht zu beanstanden sei.

Der Beklagte stimmte der Sprungklage nicht zu, so dass die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln war. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.07.2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Über die hiergegen vom Kläger erhobene Klage, die beim erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 5 K 2294/14 E anhängig ist, ist noch nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 3.12.2014 beantragte der Kläger zudem die abweichende Festsetzung der ESt 2012 aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO auf 48.799,00 EUR unter Abzug einer fiktiven Kirchensteuer als Sonderausgabe in Höhe von 9 % (= 6.709,41 EUR) auf die veranlagte ESt-Zahlungen festzusetzen, mindestens aber in Höhe von 9 % auf die in 2012 geleisteten ESt-Zahlungen in Höhe von 29.659,00 EUR. Zur Begründung führte er aus, dass Steuerpflichtige, die Mitglied einer kirchensteuerhebeberechtigten Glaubensgemeinschaft seien, durch den Abzug der Kirchensteuer als Sonderausgabe im Verhältnis zu konfessionslosen oder anderen Glaubensgemeinschaften in einer Weise privilegiert würden, die gegen elementare Grundsätze des Steuerrechts sowie

Grundrechte verstießen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 11.12.2014 ab. Zur Begründung führte er an, dass sich eine Unbilligkeit aus persönlichen Gründen dem Antrag nicht entnehmen lasse. Eine sachliche Unbilligkeit liege ebenfalls nicht vor, da vom Gesetzgeber ausdrücklich die Begünstigung anerkannter Religionsgemeinschaften und ihnen gleichgestellter Religionsgemeinschaften aus kirchenpolitischen und sozialpolitischen Erwägungen gewollt sei.

Den Einspruch hiergegen wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 21.01.2015 zurück, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Hiergegen hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass der ESt-Bescheid 2012 zwar vom Beklagten auf Basis der geltenden Steuergesetze erlassen worden sei, die Festsetzung aber nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die Verletzung der Grundrechte von konfessionslosen Steuerpflichtigen könne nur durch den Abzug einer fiktiven Kirchensteuer oder einer abweichenden Festsetzung gem. § 163 erreicht werden. Zur weiteren Begründung verweist er auf seine Ausführungen in dem Verfahren 5 K 2294/14 E.

Der Kläger beantragt,

die abweichende Festsetzung der Einkommensteuer 2012 gem. § 163 AO unter Abzug einer fiktiven Kirchensteuer als Sonderausgabe in Höhe von 9 % (= 6.709,41 EUR) auf die veranlagte Einkommensteuer, mindestens aber in Höhe von 9 % auf die in 2012 geleisteten Einkommensteuerzahlungen in Höhe von 29.659,00 EUR, hilfsweise, für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung sowie in dem Klageverfahren 5 K 2294/14 E.

Die Akte 5 K 2294/14 E ist zum vorliegenden Verfahren beigezogen worden.

 

Entscheidungsgründe

Der erkennende Senat entscheidet über die Klage mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Ablehnung des Beklagten, die ESt 2012 aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO niedriger festzusetzen, lässt keine Ermessensfehler erkennen. Erst recht steht dem Kläger kein Anspruch auf die begehrte abweichende Festsetzung der Einkommensteuer aus Billigkei...

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