Entscheidungsstichwort (Thema)

Behandlungsraum als häusliches Arbeitszimmer

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Aufwendungen eines Arztes für einen Notfall-Behandlungsraum im privaten Wohnhaus unterliegen den Abzugsbeschränkungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.01.2020; Aktenzeichen VIII R 11/17)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Aufwendungen für einen Notbehandlungsraum in dem von der Klägerin selbstgenutzten Wohnhaus den Abzugsbeschränkungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterliegen.

Die Klägerin ist Augenärztin und betreibt zusammen mit zwei weiteren Ärztinnen und einem Arzt eine Gemeinschaftspraxis in U in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Beigeladene). Aus dieser Tätigkeit erzielt die Beigeladene Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, die der Klägerin anteilig zugerechnet werden.

In ihrem privaten Wohnhaus in A-Straße 1 in N befindet sich im Keller ein für die Behandlung von Patienten in Notfällen eingerichteter Raum. In dem Raum befinden sich eine Klappliege, eine Spaltlampe, eine Sehtafel an der Wand, ein Medizinschrank, Instrumente und Hilfsmittel, z.B. zum Entfernen von Fremdkörpern, ein kleiner Tisch zum Ausstellen von Rezepten und mehrere Stühle. Das Haus verfügt über einen Hauseingang im Erdgeschoss, durch den man in einen Flur gelangt. Von dem Flur führt eine Treppe in den Keller, wo sich neben dem Notbehandlungsraum ein Heizungsraum, Hauswirtschaftsraum, Waschraum und ein weiterer Raum befinden. Von dem Flur im Erdgeschoss gelangt man zudem in das Schlafzimmer, die Küche, das Wohn- und Esszimmer und in den Raum mit einem Gäste-WC. Die Räume im Keller sind nicht über einen gesonderten Kellereingang erreichbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Grundrisse des Erdgeschosses und des Kellers des Wohnhauses Bezug genommen.

Die Beigeladene reichte Feststellungserklärungen für die Jahre 2010 bis 2012 beim Beklagten ein. Darin waren für die Klägerin für das Jahr 2010 Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 15.029,79 € erklärt. In den erklärten Sonderbetriebsausgaben waren Aufwendungen für den streitrelevanten Notbehandlungsraum im privaten Wohnhaus der Klägerin in Höhe von insgesamt 3.015,34 € enthalten. Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 07.11.2011 wurde die Höhe der erklärten Sonderbetriebsausgaben auf insgesamt 12.384,37 € korrigiert. Die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen für den Notbehandlungsraum blieb unverändert.

Der Beklagte erließ am 19.01.2012 einen Feststellungsbescheid für 2010, in dem für die Klägerin Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 9.369,03 € festgestellt wurden. In diesem Betrag waren die erklärten Aufwendungen für den Notbehandlungsraum im Wohnhaus der Klägerin nicht enthalten. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Für das Jahr 2011 erklärte die Beigeladene Aufwendungen für den Notbehandlungsraum der Klägerin in Höhe von 1.704,77 € als Sonderbetriebsausgaben, die im Feststellungsbescheid 2011 vom 24.06.2013 unberücksichtigt blieben.

Für das Jahr 2012 erklärte die Beigeladene Aufwendungen für den Notbehandlungsraum der Klägerin in Höhe von 3.562,88 € als Sonderbetriebsausgaben, die im Feststellungsbescheid 2012 vom 14.05.2014 ebenfalls nicht anerkannt wurden. Am 14.07.2015 erließ der Beklagte einen geänderten Feststellungsbescheid wegen eines nicht weiter streitigen Punktes.

Gegen die Feststellungsbescheide legte die Beigeladene, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, Einsprüche ein, die mit Einspruchsentscheidung vom 20.07.2015 als unbegründet zurückgewiesen wurden. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Der von der Klägerin beruflich genutzte Raum in dem ansonsten privat genutzten Haus falle unter die Abzugsbeschränkungen eines häuslichen Arbeitszimmers im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG. Da der Klägerin in der Augenarztpraxis ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, seien die Aufwendungen für den Behandlungsraum im privaten Wohnhaus nicht abziehbar. Die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelungen der Vorschrift lägen nicht vor. Der Notbehandlungsraum sei nicht der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit der Klägerin.

Zur weiteren Begründung der Rechtsauffassung, dass der als Notfallpraxis genutzte Raum wie ein Arbeitszimmer steuerlich zu behandeln sei, führte der Beklagte aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) maßgeblich sei, ob der Notbehandlungsraum für die Patienten durch einen besonderen Eingang zugänglich sei. Es sei entscheidend darauf abzustellen, ob die Räumlichkeiten durch einen eigenen Eingang nach außen hin erkennbar dem Publikumsverkehr gewidmet seien. Fehle es an einem eigenen Zugang, könne eine Widmung der Räumlichkeiten für den Publikumsverkehr auch darin gesehen werden, dass die Praxisräume für die Patienten leicht zugänglich seien. Der Patient dürfe aber nicht einen auch privat genutzten Flur oder eine Diele durchqueren müssen. Hieran fehle es im Streitfall. Zum einen sei kein Hinweis am Gebäude...

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