Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von unternehmerischer zu nichtselbständiger Tätigkeit; Steuerbefreiung, Begriffsbestimmung von "eng" mit der Sozialfürsorge verbundenen Leistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Stpfl. ist als Unternehmer i.S.d. § 2 UStG tätig, wenn er für seine Tätigkeit das Unternehmerrisiko in Form des Vergütungs- und Kostenrisikos trägt. Eine Entlohnung auf Stundenbasis, eine fehlende Festvergütung ohne Rücksicht auf die abgeleistete Arbeitszeit sowie die Tatsache, dass der Stpfl. die Höhe seines Entgelts eigenverantwortlich durch die Anzahl der von ihm geleisteten Arbeitsstunden bestimmen konnte, sind gewichtige Gesichtspunkte, die für eine unternehmerische Tätigkeit sprechen.

2. Für die Frage der Steuerbefreiung sind Leistungen dann nicht eng mit der Sozialfürsorge verbunden, wenn sie nicht an den Hilfsbedürftigen, sondern an einen Unternehmer als Leistungsempfänger erbracht werden, der diese Vorbezüge benötigt, um damit seinerseits eigene steuerbefreite Ausgangsleistungen an einen Patienten/Hilfsbedürftigen erbringen zu können.

 

Normenkette

Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g; UStG § 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.12.2016; Aktenzeichen XI R 5/15)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die vom Kläger (Kl.) in den Streitjahren 2002 bis 2006 an den Verein xxx e.V. bzw. dessen Untergliederungen ausgeführten Leistungen steuerpflichtig, d.h. umsatzsteuerbar bzw. nicht umsatzsteuerfrei sind.

Der Kl. war in den Streitjahren Mitglied in dem in C geschäftsansässigen Verein xxx e.V., ab mindestens 2004 auch im Verein yyy e.V. bzw. zumindest ab 2005 auch im Verein zzz e.V., die laut den für gezahlte Mitgliedsbeiträge dem Kl. erteilten Bescheinigungen auf Grund der Freistellungsbescheide des Finanzamtes D nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes von der Körperschaftsteuer befreit waren. Der Verein xxx e.V. war in den Streitjahren Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Gemäß § 2.1 seiner Satzung bezweckt der Verein xxx e.V. die Altenhilfe und die Hilfe für behinderte Menschen mit Hilfebedarf im Gemeinwesen in der häuslichen Umgebung und in gemeinschaftlichen Wohnformen. Der Verein xxx e.V. schloss am 01.09.2005 mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gemäß den §§ 75 ff. des Sozialgesetzbuches (SGB) XI eine Vereinbarung für die Wohnbetreuung schwerstbehinderter Menschen. Die Vereinbarung diente gemäß ihrer Präambel der Konkretisierung des ambulanten Rahmenvertrags NRW gemäß § 79 SGB XII. Der Verein xxx e.V. wurde ferner aufgrund einer Vereinbarung vom 07.10.2009 mit der Stadt C gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII tätig. Die Vereinbarung legte fest, welche „andere Verrichtungen” im Sinne des § 61 SGB XII der Verein xxx e.V. mit dem Ziel ausführt, dass die pflegeergänzenden Maßnahmen des Vereins dem betreuten Personenkreis einen Verbleib in deren häuslichen Umgebung sichern und einen Heimaufenthalt vermeiden.

Laut dem Internetauftritt (Copyright 2006) bestanden die Vereine … aus Fachpflegekräften in der Alten- und Gesundheitspflege, aus Fachkräften in den Bereichen Sozialwirtschaft, Heilerziehungspflege, Pädagogik, Verwaltung, Handwerk, Hauswirtschaft sowie aus Assistenten und Pflegehelfern. Die Mitglieder der Vereine … boten Hilfe, u.a. die Dienstleistung eines ISB (individueller Service für Menschen mit Behinderungen) gemäß den Rahmenvereinbarungen des SGB V, des SGB XI und des SGB XII mit dem Hinweis an, dass die Leistungen mit den unterschiedlichen Kostenträgern abrechnungsfähig seien. Laut einem Artikel in der Zeitschrift: „…” Nr. 0/0000, Seite 00 ff, bot der Verein … Assistenzleistung für Menschen mit Behinderungen an. Neben rund 400 freiberuflichen pädagogischen und pflegerischen Fachkräften seien beim Verein 5 Menschen mit schweren Behinderungen fest angestellt, u.a. der seit Geburt spastisch gelähmte, auf den Rollstuhl angewiesene und seit 1999 für den Verein als Bürokaufmann tätige Herr N L, der im Kalenderjahr 2008 Vorsitzender des Vereins zzz e.V. war. Herr N L nehme aufgrund seiner Behinderung als Kunde das Betreuungsmodell der ISB in Anspruch. In seiner Freizeit stünden ihm insgesamt sieben Assistentinnen bzw. Assistenten aus den Bereichen Altenpflege, Heilerziehungspflege, Sozialarbeit sowie Studenten (auch aus fachfremden Gebieten) im Schichtwechsel zur Verfügung. Für seine berufliche Tätigkeit beim Verein … erhalte er alle benötigten Hilfestellungen von vier Arbeitsassistentinnen bzw. Arbeitsassistenten. Im Gegensatz zur Tätigkeit im Rahmen der ISB arbeiteten im Berufsalltag nur Studentinnen und Studenten, die Herrn N L „Arme und Beine ersetzten”, indem sie Briefe oder E-Mails nach Diktat schrieben, Kopieraufgaben ausführten und als Dolmetscher den Telefondienst erledigten, da Herr N L aufgrund seiner spastischen Lähmungen akustisch nur schlecht zu verstehen sei.

Der Kl. war bis November 2000 bei der Arbeitsagentur C, zuletzt in der Kindergeldkasse, nichtselbständig tätig. Den zum 01.06.1997 bei der Stadt C angemeldeten Gewerbebetrieb „Buchführung” meldete d...

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