Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Beendigung einer Organschaft mit Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Eingliederung und damit die Organschaft entfällt nach BFH-Rechtsprechung auch dann, wenn das Insolvenzgericht Eigenverwaltung anordnet. Die erforderliche Eingliederung mit Durchgriffsmöglichkeit entfällt, weil Aufsichtsrat oder entsprechende Organe gem. § 276a S. 1 InsO keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners mehr haben.

2. Ausgehend von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen geht der erkennende Senat auch für den vorliegenden Fall der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung mit Bestellung eines vorläufigen Sachwalters davon aus, dass auch in diesem Fall eine organisatorische Eingliederung und damit umsatzsteuerliche Organschaft entfällt, wenn das Gericht – wie hier – neben der vorläufigen Eigenverwaltung zugleich einen Vollstreckungsschutz gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO angeordnet hat. Der Senat ist der Auffassung, dass die Organträgering ihren Willen bei der Organgesellschaft (Stpfl.) nicht mehr (in rechtlich zulässiger Weise) durchsetzen konnte.

 

Normenkette

InsO § 21 Abs. 2 Nr. 3, § 270a; UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.11.2019; Aktenzeichen XI R 35/17)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob mit Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung mit Bestellung eines vorläufigen Sachwalters (§ 270 a Insolvenzordnung – InsO) eine bis dahin bestehende umsatzsteuerliche Organschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG beendet worden ist.

Die Klägerin ist 100 %ige Tochtergesellschaft der I AG i.I. Bis zum Ablauf des 10.7.2014 bestand zwischen der I AG i.I. (Organträgerin) und der Klägerin (Organgesellschaft) unstreitig eine umsatzsteuerliche Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG.

Auf Eigenantrag der jeweiligen Gesellschaft hat das Amtsgericht (AG) F mit Beschlüssen vom 11.7.2014 in den Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der I AG i.I. und über das Vermögen der Klägerin jeweils die vorläufige Eigenverwaltung (§ 270 a InsO) angeordnet und jeweils Herrn RA I Q zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Dabei ordnete das AG F u.a. jeweils an:

1) Zum vorläufigen Sachwalter wird Rechtsanwalt I Q, G, bestellt.

2) Maßnahmen der Zwangsvollstreckung einschließlich der Vollziehung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung gegen die Schuldnerin werden untersagt, soweit nicht unbewegliche Gegenstande betroffen sind; bereits begonnene Maßnahmen werden einstweilen eingestellt (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO).

Die Zustimmungsbedürftigkeit des Sachwalters für bestimmte Rechtsgeschäfte (§ 277 InsO) war nicht angeordnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse des AG F verwiesen.

Am 1.10.2014 wurde über das Vermögen der I AG i.I. und über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung (§ 270 ff. InsO) angeordnet.

Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin waren im Zeitraum 11.7.2014 bis 30.9.2014 C E sowie L B. Zudem war U R als Geschäftsführer bestellt, der jedoch nur zusammen mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen zur Vertretung der Klägerin berechtigt war.

Als Vorstand der I i.I. waren im Zeitraum 11.7.2014 bis 30.9.2014 C E und L B bestellt. Im Zuge der Bestellung von C E zum Geschäftsführer und I Q zum vorläufigen Sachwalter wurde der gesamte Zahlungsverkehr der Klägerin neu organisiert und ein spezifisches Freigabeschema für Zahlungen der Klägerin erstellt. Dieses sah eine Prüfung und Freigabe der Zahlungen durch C E vor. Der vorläufige Sachwalter wurde täglich über die Zahlungsströme schriftlich unterrichtet.

Angesichts der Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der I i.I. und über das Vermögen der Klägerin unter jeweiliger Anordnung vorläufiger Eigenverwaltung war die Klägerin der Auffassung, dass ab 11.7.2014 die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG weggefallen seien.

Die Klägerin ermittelte daher ab diesem Zeitpunkt die Umsatzsteuer ohne Berücksichtigung einer Organschaft und gab für die Voranmeldungszeitraume Juli 2014 bis September 2014 entsprechende Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Für den Voranmeldungszeitraum Juli 2014 (11.7. – 31.7.) ermittelte die Klägerin eine Umsatzsteuerschuld in Höhe von 166.359,17 EUR, für August 2014 (Klagezeitraum) ermittelte sie einen Umsatzsteuervergütungsanspruch i.H.v. 89.442,17 EUR und für September 2014 einen Umsatzsteuervergütungsanspruch i.H.v. 114.546,44 EUR.

Mit Bescheid vom 18.9.2014 (noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) lehnte der Beklagte den Antrag vom 10.09.2014 auf Steuerfestsetzung für den Voranmeldungszeitraum August 2014 ab. Zur Begründung führte er aus, zwischen der Klägerin und der I AG i.I. bestehe auch nach dem 10.7.2014 eine umsatzsteuerliche Organschaft, womit die umsatzsteuerlichen Belange bei der I AG i.I. als Organträgerin zu erfassen seien.

Den dagegen gerichteten Einspruch vom 29.9.2014 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 4.9...

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