Entscheidungsstichwort (Thema)

Tätigkeitsmittelpunkt eines Handelsvertreters

 

Leitsatz (redaktionell)

Das häusliche Arbeitszimmer eines im Wurst- und Käsevertrieb tätigen Handelsvertreters kann dessen Tätigkeitsmittelpunkt bilden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6b

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das häusliche Arbeitszimmer eines im Wurst- und Käsevertrieb tätigen Handelsvertreters dessen Tätigkeitsmittelpunkt bildet mit der Folge des unbegrenzten Abzugs der hierfür entstandenen Aufwendungen.

Die Kläger (Kl.) sind zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kl. ist seit 1999 als Handelsvertreter im Bereich des Wurst- und Käsevertriebs in Deutschland überregional gewerblich tätig. Er war im Streitjahr 2010 für drei Auftraggeber tätig, namentlich für X B.V. in den Niederlanden (im Folgenden: X), Y in H und Z in C. Der Hauptauftraggeber X bediente in Deutschland 230 Kunden, hierunter viele Kundengruppen (z.B. Großverbrauchermärkte). Der Kl. vermittelte die Geschäfte zwischen seinen Auftraggebern und deren Kunden, so dass er die eingehenden Kundenaufträge an die Auftraggeber/Lieferanten weitergab, welche dann die Auslieferung selbst vornahmen.

In der Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für 2010 machte der Kl. bei seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer i.H.v. 3.595 € geltend.

Der Beklagte (Bekl.) erkannte mit ESt-Bescheid für 2010 vom 30.08.2011 Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nur i.H.v. 1.250 € an, da der Außendienst und nicht das Arbeitszimmer den Tätigkeitsmittelpunkt des Kl. bilde. Mit dem ESt-Bescheid wurde die ESt 2010 auf 24.122,00 € festgesetzt.

Den hiergegen erhobenen Einspruch der Kl. wies der Bekl. mit Einspruchsentscheidung vom 13.02.2012 wegen ESt 2010 als unbegründet zurück. Der Tätigkeitsmittelpunkt des Kl. als Handelsvertreter liege nicht in seinem häuslichen Arbeitszimmer, so dass nach der geltenden Rechtslage des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Einkommensteuergesetz (EStG) nur ein auf 1.250 € begrenzter Abzug von Betriebsausgaben hierfür in Betracht komme. Vergleiche man die vom Kl. gegebene Tätigkeitsbeschreibung im Rahmen einer umfassenden Wertung mit der allgemeinen Berufsbeschreibung eines Außendienstmitarbeiters, so werde deutlich, dass insbesondere die Präsentation neuer Produkte sowie die Betreuung neuer Kunden vor allem im Außendienst erfolge. Diesen Tätigkeiten komme ein höheres Gewicht zu als den unstreitig im Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeiten. Das Arbeitszimmer bilde nicht schon deshalb den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung, weil dort notwendige schriftliche Arbeiten erledigt würden, dieses Zimmer Anlaufstelle für Telefonate und Unterlagen sei und das Zimmer für die Berufstätigkeit insgesamt unverzichtbar sei. Nicht entscheidend sei schließlich die Nutzung des Arbeitszimmers an 2-3 Wochentagen, also durchschnittlich zu etwa 50 % der Arbeitszeit.

Hierauf haben die Kl. die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sie wie folgt ausführen:

Entgegen der Auffassung des Bekl. bilde das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Betätigung des Kl., so dass die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer unbeschränkt abzugsfähig seien. Die Tätigkeit des Kl. sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht durch die Arbeit im Außendienst geprägt. Der Kl. erledige im Arbeitszimmer nicht nur notwendige schriftliche Arbeiten, sondern vielmehr die das Gesamtbild prägenden Tätigkeiten der Handelsvertretung. Anders als bei einem typischen Handelsvertreter beschränke sich die Handelsvertretung des Kl. nicht auf bestimmte Regionen, sondern erfolge bundesweit. Im Streitjahr 2010 habe er, der Kl., ein Warenvolumen i.H.v. 65.000.000 € (davon 60.000.000 € für X) an insgesamt ca. 230 Kunden bundesweit vermittelt. Daraus ergebe sich, dass er die wesentlichen Tätigkeiten in seinem Arbeitszimmer durchführe, welches er an 2-3 Arbeitstagen pro Woche nutze. Die meisten Aufgaben hätten unmöglich mobil erledigt werden können. Besonderheit bei der von ihm ausgeübten Handelsvertretertätigkeit sei vor allem, dass die Aufträge nicht wie in anderen Branchen üblich bei den Kunden abgeholt würden. Vielmehr erfolge die Auftragsannahme und Auftragsabwicklung im Arbeitszimmer des Kl. Die Aufträge der Kunden würden je nach Bedarf der Kunden zumeist wöchentlich oder 14-tägig im Arbeitszimmer per Fax, E-Mail oder EDI eingehen und von ihm, dem Kl., dann umgehend an die Lieferanten weitergegeben. Die meisten Warenprodukte hätten eine Mindesthaltbarkeitsdauer von max. 42 Tagen. Im häuslichen Arbeitszimmer würden sich die für die Auftragsabwicklung notwendigen Unterlagen (Ordner, Karteien, Preislisten, Monatsanalysen etc.) befinden. Auch die umfangreiche individuelle Angebotsübermittlung und Bedarfsermittlung der Frischeprodukte sowie die in der Lebensmittelbranche üblichen ständigen Preisänderungen könnten aus organisatorischen Gründen allein schon aufgrund des großen Umfangs nur vom Arbeitszimmer aus erfolgen. Im Arbeitszimmer würde zudem Kundenakquise und -pflege durchgeführt, P...

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