Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerkarussellbetrug, Beteiligung, Vorsteuerabzug

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Vorsteuerabzug ist aus materiellen Gründen zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Stpfl. wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit dem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen war. Nach Auffassung des Senats steht fest, dass die Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund ihres beruflichen Hintergrunds als Rechtsanwälte und wegen der im Rahmen der Durchsuchung aufgefundenen Unterlagen erhebliches Problembewusstsein im Hinblick auf den Umsatzsteuerbetrug im Edelmetallhandel hatten.

2. Es bestanden nach Auffassung des Senats eine Vielzahl objektiver Umstände, aufgrund derer die Gesellschafter erkennen mussten, dass es sich bei der NX GmbH um einen klassischen sog. Buffer I im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussellbetrugs handelte.

3. Eine grundsätzliche Verpflichtung, das Besteuerungsverfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen, besteht nicht. Es besteht kein verfahrensrechtlicher Vorrang des Strafverfahrens gegenüber dem Verfahren auf Steuerfestsetzung.

 

Normenkette

UStG §§ 14, 14a; FGO § 74; UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin im Streitjahr 2012 ein Recht zum Vorsteuerabzug zusteht.

Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Firma N GmbH (Insolvenzschuldnerin).

Die Insolvenzschuldnerin nahm im August 2012 ihren Geschäftsbetrieb auf. Als Unternehmenszweck wurde die Analyse, das Schmelzen und der Handel von bzw. mit Hart-, Bunt- und Sondermetallen sowie Edelmetallen angegeben und ins Handelsregister eingetragen. Gesellschafter (zu je 50%) und jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin waren die Rechtsanwälte B K (geb. 00.00.1972) und G H (geb. 00.00.1971). Diese hatten mit Vertrag vom 00.05.2012 die Gesellschaftsanteile an der im Handelsregister des Amtsgerichts E eingetragenen Vorratsgesellschaft „L GmbH” vom X erworben (notarieller Kaufvertrag vom 00.05.2012, Bl. 147 ff. der Akte Zwischenbericht Steufa) und zugleich in die Firma der Insolvenzschuldnerin umbenannt. Der Sitz der Gesellschaft war sodann nach M in angemietete Räume unter der Adresse A-Straße 5 verlegt worden (vgl. Gesellschaftsvertrag vom 16.07.2012, Bl. 151 der Akte Zwischenbericht Steufa), die Übergabe der Mieträume war am 28.06.2012 erfolgt (Bl. 216 der Akte Zwischenbericht Steufa). Vermieter der Räume war die W GmbH & Co. KG, die bei den Vertragsverhandlungen durch den Geschäftsführer, Herrn N W, vertreten wurde. Der Kontakt zur Anmietung der Geschäftsräume in M wurde dabei über Herrn Q T hergestellt (Seite 35 des Zwischenberichts der Steufa, Bl. 38 der Akte Zwischenbericht Steufa und Vernehmung des Herrn N W, Bl. 212 ff. der Akte Zwischenbericht Steufa). Herr Q T hatte bis zur Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume am 04.07.2012 (Seite 50 der Urteilsgründe des Urt. vom 28.05.2019 …) die Firma MS GmbH & Co. KG, eine Gesellschaft mit einem vergleichbaren Geschäftsgegenstand, von seiner Wohnung in der B-Strasse 6 in 00000 P aus (7,5 km entfernt vom Sitz der Insolvenzschuldnerin in M) als faktischer Geschäftsführer betrieben. Das Landgericht N hat Herrn Q T wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung in drei Fällen mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 28.05.2019 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt (LG N, Urt. vom 28.05.2019 …). Die Verurteilung basiert darauf, dass Herr Q T unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Firma MS GmbH & Co. KG abgegeben habe, weil er deren Umsatzsteuerschuld durch Scheinrechnungen/Abdeckrechnungen der Lieferanten G GmbH, der BB GmbH und der C U GmbH gemindert habe. Die Firma MS GmbH & Co. KG hatte angeblich Silbergranulat und andere Edelmetalle von diesen in C ansässigen Firmen bezogen und dann an Scheideanstalten im Raum R geliefert (Seite 28 ff. und Bl. 96 ff. der Urteilsgründe des Urteils des LG N vom 28.05.2019 …). Zuvor waren am 04.07.2012 vom Amtsgericht N am 09.03.2012 angeordnete Durchsuchungsbeschlüsse für die Wohn- und Geschäftsräume der MS GmbH & Co. KG bzw. des Herrn Q T vollzogen worden (Seite 49 f. der Urteilsgründe des Urteils des LG N vom 28.05.2019 …).

Die Gesellschafter-Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin hatten ihren Wohn- und Kanzleisitz im Streitjahr in C bzw. S, waren aber abwechselnd regelmäßig vor Ort in M. Die Insolvenzschuldnerin beschäftigte als Arbeitnehmer im Streitjahr die Zeugin Frau N G als Sekretärin (ab 01.11.2012, Bl. 162 der Akte Zwischenbericht Steufa), die in den Räumen in M tätig war, und den Zeugen Herrn P U als Fahrer (ab 14.09.2012, Bl. 173 der Akte Zwischenbericht Steufa). Herr P U war in der Zeit von April bis August 2012 (Seite 63 der Urteilsgründe des Urteils des LG N vom 28.05.2019 …) bereits als Fahrer für die von Herrn Q T (faktisch) betriebene Firma MS GmbH & Co. K...

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