Entscheidungsstichwort (Thema)

Anscheinsbeweis für Abbruchabsicht

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Erwerber eines objektiv technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Gebäudes kann, wenn er das Gebäude nach dem Erwerb abreißt, eine Absetzung für außergewöhnliche oder wirtschaftliche Abnutzung (§ 7 Abs. 1 Satz 7 EStG) vornehmen und die Abbruchkosten als sofort abziehbaren Aufwand geltend machen, sofern er das Gebäude nicht in Abbruchabsicht erworben hat.

2) Bei (Teil-)Abbruch eines Gebäudes innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung spricht ein Beweis des ersten Anscheins für eine Abbruchabsicht.

3) Den Anscheinsbeweis kann der Steuerpflichtige entkräften, insbesondere der Art, dass es zu dem Abbruch erst aufgrund eines ungewöhnlichen, nicht typischen Geschehensablaufs gekommen ist.

4) Es stellt keinen ungewöhnlichen, nicht typischen Geschehensablauf dar, wenn Kostengesichtspunkte seit Beginn der Planungen eine Rolle gespielt haben sich nach Erwerb der Immobilie der Abbruch des Gebäudes samt Neubau als kostengünstigere Alternative zum Umbau der Bestandsimmobilie herausstellt.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 4 S. 3, Abs. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob wegen des Abrisses von Gebäuden Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung – AfaA –, Abbruchkosten sowie vergebliche Planungskosten in Höhe von zusammen X € als sofort abzugsfähige Aufwendungen oder als aktivierungspflichtige Herstellungskosten im Streitjahr 2014 anzusehen sind.

Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 00.00.2014 gegründete und im Handelsregister des Amtsgerichts L unter HRB 00001 eingetragene GmbH, die mit Gesellschafterbeschluss vom 00.00.2014 durch Umwandlung im Wege des Formwechsels der O GmbH & Co. KG, L (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts L unter HRA 00002) mit Wirkung zum 00.00.2013 entstanden ist. Der Formwechsel wurde am 00.00.2014 in das Handelsregister eingetragen. Unternehmensgegenstand ist u.a. der Erwerb bzw. die Herstellung von Immobilien. Geschäftsführer der Klägerin sind Herr O 1, Herr F und Herr O 3. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die O 2 GmbH & Co. KG, L, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts L unter HRA 00003. Sie ist zugleich die Beigeladene.

Die Klägerin ist als Organgesellschaft mit der Beigeladenen als Organträgerin im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft verbunden. Der am 00.00.2014 mit der Beigeladenen abgeschlossene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wurde am 00.00.2014 in das Handelsregister eingetragen.

Im Jahr 2012 plante die Klägerin, auf einem ihr gehörenden Grundstück in L (Grundbuch Gemarkung R, Flur 01, Flurstück 0002) ein Gebäude zur Nutzung für die O 4 GmbH (Amtsgericht L, HRB 00004), einer Tochtergesellschaft der Beigeladenen, zu errichten. Hierzu beauftragte sie das Architekturbüro A in L. Im Jahr 2012 entstand der Klägerin hierdurch ein Aufwand von X €. Die Pläne wurden später jedoch nicht verwirklicht. Das Grundstück ist bis heute unbebaut und wird als Parkplatz genutzt.

Darüber hinaus begann die Klägerin im Jahr 2012, den Erwerb von zwei benachbarten Grundstücken und eines Erbbaurechts zu planen, welche damals im Eigentum der Firmengruppe „N” standen. Es handelte sich um ein Grundstück A-Straße 1 (Grundbuch Gemarkung R, Flur 01, Flurstück 0003), ein weiteres Grundstück A-Straße 1 (Grundbuch Gemarkung R, Flur 01, Flurstück 0004) sowie ein Grundstück B-Straße (Grundbuch Gemarkung R, Flur 01, Flurstück 0005). Das Flurstück 0003 war bebaut mit einer X m² großen Lager- und Verkaufshalle. Auch das Flurstück 0004 war bebaut, und zwar mit einem X m² großen Gebäude, welches als Verkaufsraum genutzt und als „Gebäude” bezeichnet wurde. Das Flurstück 0005 war unbebaut.

Ausweislich eines Protokolls über eine Baubesprechung vom 00.00.2012, an welcher u.a. die drei Geschäftsführer der Klägerin sowie der Zeuge E teilnahmen, sprachen die Teilnehmer über den Tagesordnungspunkt „Neubau Geb. 2 / Alternativ: Erwerb der Immobilie N für die Nutzung durch O 4 GMBH”. Mit dem „Neubau Geb. 2” war zum damaligen Planungszeitpunkt, wie aus einer Anlage zu der Baubesprechung vom 00.00.2012 erkennbar ist, ein Neubau auf dem Flurstück 0002 gemeint. Ausweislich des Protokolls gelangten die Besprechungsteilnehmer zu dem folgenden Ergebnis:

„Es wurde beschlossen, das Grundstück N zu dem damaligen Kaufpreis von ca. X € zu erwerben. Für den Fall, dass das Grundstück bis zum 00.00.2013 durch N geräumt wird, kommt das Grundstück für eine Nutzung durch die O 4 GMBH in Betracht. Der vorhandene Gebäudebestand lässt sich sanieren und erweitern, um den Flächenbedarf der O 4 GMBH von insgesamt X m² zu erfüllen.

Es bestehen für die Baurealisierung auf dem Grundstück N vier Variationsmöglichkeiten, die in der Anlage dargestellt sind. Die entsprechenden Nutzungsmöglichkeiten ergeben sich aus den beigefügten Zeichnungen. Für eine Umsetzung kommt die Variante 2 in Betracht. Die hierdurch anfallenden Kosten von ca. X € liegen unter den Kosten für einen vergleichbaren Neubau auf...

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