Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsaustausch bei Abmahnung von Wettbewerbern; Schadensersatz

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Aufwendungsersatzanspruch, den der Stpfl. einem Wettbewerber im Zusammenhang mit einer Abmahnung in Rechnung stellt, stellt kein Entgelt für eine Leistung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, sondern nicht umsatzsteuerbaren Schadensersatz dar. Ein Leistungsaustausch ist nicht gegeben, weil dem Abmahnungsempfänger kein verbrauchsfähiger Vorteil zugewendet wird.

2) Der Schadensersatzcharakter der Zahlung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Abmahnung überwiegend der Erzielung von Einnahmen dient und damit gemäß § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich ist.

 

Normenkette

UWG § 8 Abs. 4, §§ 9, 12 Abs. 1 S. 1; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.12.2016; Aktenzeichen XI R 27/14)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen an Wettbewerber erbracht hat, indem sie diese wegen nicht ordnungsgemäßer allgemeiner Geschäftsbedingungen durch einen beauftragten Rechtsanwalt abmahnen ließ.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Handel mit Hard- und Software, die Einrichtung und Wartung von Netzwerken sowie die Beratung, Schulung und Gutachtenerstellung in Fragen der elektronischen Datenverarbeitung.

In den Streitjahren mahnte die Klägerin mehrfach Wettbewerber wegen fehlerhafter Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) ab. Sie beauftragte hiermit Herrn Rechtsanwalt L F. Dieser forderte die Wettbewerber im Namen der Klägerin auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben sowie die durch seine Einschaltung entstandenen Kosten zu erstatten. Die gegenüber den abgemahnten Wettbewerbern geltend gemachten Aufwendungen wurden nach den Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ermittelt; Umsatzsteuer war in den geltend gemachten Aufwendungen nicht enthalten. Die abgemahnten Wettbewerber zahlten den geltend gemachten Aufwendungsersatz auf ein Konto des Rechtsanwalts. Der Rechtsanwalt seinerseits stellte seine Leistungen der Klägerin in Rechnung, wobei die Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zuzüglich der Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wurde. Der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Klägerin wurde hinsichtlich des Netto-Entgelts unmittelbar mit den Zahlungen der abgemahnten Wettbewerber verrechnet, so dass die Klägerin lediglich noch die auf die Leistungen des Rechtsanwalts entfallende Umsatzsteuer an diesen zu entrichten hatte. Hinsichtlich der Umsatzsteuer machte die Klägerin den Vorsteuerabzug geltend.

Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung gelangte die Prüferin zu der Auffassung, dass die Klägerin durch die Abmahnung ihrer Wettbewerber jeweils eine umsatzsteuerpflichtige Leistung an diese erbracht hätte. In dem Prüfungsbericht vom 07.11.2008 wird auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.01.2003 verwiesen (Az. V R 91/01, BStBl. II 2003, 732). Laut Prüfungsbericht erhöhten sich hierdurch die steuerpflichtigen Umsätze 2006 um 5.298,50 EUR und die steuerpflichtigen Umsätze 2007 um 42.980,35 EUR. Weitere Feststellungen sind im Prüfungsbericht nicht enthalten.

Am 19.01.2009 erließ der Beklagte geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2006 und 2007 unter Zugrundelegung der Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung.

Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg, so dass die Klägerin am 07.07.2011 Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen erhoben hat. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Aufwendungsersatz, den die abgemahnten Wettbewerber an sie entrichtet haben, nicht der Umsatzsteuer unterliege. Es handele sich nicht um Entgeltzahlungen für eine umsatzsteuerbare Leistung, sondern vielmehr um echte Schadensersatzzahlungen. Die vom Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 16.01.2003 (BFH-Urteil vom 16.01.2003 V R 92/01, BStBl. II 2003, 732) entwickelten Grundsätze seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da es sich bei der Klägerin nicht um einen Abmahnverein, sondern um einen Wettbewerber handele. In der zivilrechtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum sei anerkannt, dass dem abmahnenden Wettbewerber hinsichtlich der Aufwendungen für die Abmahnung ein

Schadensersatzanspruch zustehe, wenn der Abgemahnte vorsätzlich oder fahrlässig eine unlautere Wettbewerbshandlung begangen habe. Die Abmahnung diene der Schadensabwendung bzw. -minderung, so dass der abmahnende Wettbewerber mit seiner Abmahnung seiner Schadensminderungsobliegenheit gem. § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB folge. Im Rahmen der Neuregelung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sei mit § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für den Aufwendungsersatzanspruch geschaffen worden. Dies ändere jedoch nichts an der umsatzsteuerlichen Qualifikation des Erstattungsanspruchs als echten Schadensersatz.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007 vom 19.01.2009, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.06.2011, dergestalt zu ändern, dass die Umsatzsteuer jeweils erklärungsgemäß festgesetzt w...

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