Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückstellungen für hinterzogene Steuerbeträge

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Rückstellungen für die drohende Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen aus von ihm hinterzogenen Steuern dürfen erst zu dem Stichtag gebildet werden, zu dem der Steuerpflichtige aufgrund eines hinreichend konkreten Sachverhalts ernsthaft mit einer quantifizierbaren Steuernachforderung rechnen muss, also frühestens dann, wenn – im Falle einer Außenprüfung – der Prüfer eine bestimmte Sachbehandlung beanstandet hat (sog. aufdeckungsorientierte Maßnahme).

2) Dass der Steuerpflichtige selbst von der Steuerhinterziehung Kenntnis hat und nach allgemeiner Erfahrung im Anschluss an eine Außen- und Fahndungsprüfung häufig mit der Festsetzung von Mehrsteuern zu rechnen ist, reicht für die Bildung einer Rückstellung nicht aus.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1; AO § 370; KStG § 10 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Ansatz von Steuerrückstellungen in den Streitjahren 2006 bis 2008 sowie über die Änderung des Ansatzes eines Firmenwerts.

Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom xx.xx.2000 gegründete und im Handelsregister des Amtsgerichts R unter HRB 0000 eingetragene GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ist Herr Q T. Unternehmensgegenstand ist […].

Die Klägerin reichte für die Streitjahre 2006 und 2007 weder Steuererklärungen noch Jahresabschlüsse beim Beklagten ein. Nach entsprechender Androhung setzte der Beklagte am 20.10.2008 für 2006 ein Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 2.000 € fest. Die Klägerin zahlte das Zwangsgeld. Nachdem sie die Steuererklärungen und Jahresabschlüsse für 2006 weiterhin nicht eingereicht hatte, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 16.12.2008 die Körperschaftsteuer für 2006 auf 37.500 € fest unter Berücksichtigung eines Jahresüberschusses von 150.000 €. Den Gewerbesteuermessbetrag setzte er auf 8.025 € fest. Es handelte sich um eine Schätzung gemäß § 162 der AbgabenordnungAO –. Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO. Sie enthielten den Hinweis, dass die Schätzung die Klägerin nicht von ihrer Erklärungspflicht befreie.

Da die Klägerin weiterhin ihrer Erklärungspflicht für 2006 nicht nachkam, drohte der Beklagte am 3.3.2009 erneut ein Zwangsgeld für 2006 an, nun i.H.v. 16.000 €. Dagegen legte die frühere Rechtsanwältin der Klägerin, Frau RA, J, Einspruch ein. Für 2007 setzte der Beklagte nach entsprechender Androhung am 18.3.2009 ein Zwangsgeld i.H.v. 16.000 € fest, wogegen die Rechtsanwältin der Klägerin ebenfalls Einspruch einlegte. Sie trat daraufhin in Verhandlungen mit dem Beklagten über die Modalitäten der Veranlagung für 2006 und 2007 ein. Mit Schreiben vom 11.5.2009 erläuterte sie, dass die Klägerin ihre Liquidation vorbereite und nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage sei, Bilanzen zu erstellen. Die bereits durchgeführte Schätzung für das Jahr 2006 entspreche aber den tatsächlichen Einnahmen und Umsätzen und werde anerkannt. Für die Folgejahre sollten Schätzungsbescheide in gleicher Höhe im Rahmen einer „tatsächlichen Verständigung” ergehen, so die Rechtsanwältin. Ausweislich einer Gesprächsnotiz des Beklagten vom 12.5.2009 erzielte die Rechtsanwältin RA daraufhin mit einer Mitarbeiterin des Beklagten eine mündliche Verständigung dahingehend, dass „vorläufige Bilanzen” eingereicht und ein Sicherheitszuschlag von 10 % vorgenommen werden sollten. Ein inzwischen am 11.5.2009 für 2006 festgesetztes Zwangsgeld i.H.v. 16.000 € sowie das für 2007 festgesetzte Zwangsgeld sollten dann aufgehoben werden.

Mit Schreiben vom 4.6.2009 reichte Frau Rechtsanwältin RA „vorläufige Bilanzen” beim Beklagten ein, welche allerdings lediglich aus Excel-Berechnungen bestanden. Sie berechnete Jahresüberschüsse für 2006 und 2007 in der Form von Einnahmeüberschussrechnungen unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen. Die Berechnungen wiesen für 2006 einen Überschuss von 84.406,52 € und für 2007 von 137.695,31 € aus. Bei den Aufwendungen des Jahres 2006 waren „kalk-AFA” i.H.v. 76.679,32 € enthalten, wobei die Zusammensetzung dieses Betrags nicht erläutert war. Der Beklagte erließ am 24.6.2009 gemäß § 164 Abs. 2 AO einen Änderungsbescheid für 2006, mit dem er die Körperschaftsteuer auf 25.049 € herabsetzte unter Berücksichtigung eines Jahresüberschusses von 95.000 €. Den Vorbehalt der Nachprüfung ließ er zunächst bestehen. Ebenfalls am 24.6.2009 erließ er einen Erstbescheid für 2007 und setzte die Körperschaftsteuer auf 38.105 € fest unter Berücksichtigung eines Jahresüberschusses von 150.000 €. Auch dieser Bescheid erging im Wege der Schätzung gemäß § 162 AO und stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In den Erläuterungen beider Bescheide nahm der Beklagte Bezug auf die vorgelegten „betriebswirtschaftlichen Auswertungen”, wodurch die Schätzung unter Hinzurechnung eines Sicherheitszuschlags vorgenommen worden sei. Die Verständigung sei in Absprache mit der Anwaltskanzlei RA getroffen worden.

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