Entscheidungsstichwort (Thema)

EuGH-Vorlage: Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit durch § 9 Nr. 7 GewStG?

 

Leitsatz (redaktionell)

Es bestehen erhebliche Zweifel, ob § 9 Nr. 7 GewStG, soweit die Kürzung des Gewerbeertrags um Gewinne aus Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften an schärfere Voraussetzungen knüpft als bei inländischen Kapitalgesellschaften, mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar ist.

 

Normenkette

AStG § 7 ff.; KStG § 8b Abs. 1; AEUV Art. 63-65; GewStG 2002 § 9 Nr. 7

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 20.09.2018; Aktenzeichen C-685/16)

 

Tatbestand

A. Sachverhalt

Streitig ist die Höhe des der Klägerin als Organträgerin zuzurechnenden Gewerbeertrags einer Organgesellschaft, und zwar bezüglich der Frage, inwieweit bei der Ermittlung des Gewerbeertrags dieser Organgesellschaft eine Kürzung gemäß § 9 Nr. 7 des Gewerbesteuergesetzes 2002 (GewStG 2002) wegen einer Gewinnausschüttung deren australischer Tochtergesellschaft (Enkelgesellschaft der Klägerin) vorzunehmen ist.

Die Klägerin, eine KGaA, ist als … tätig. Sie ist Muttergesellschaft eines weltweiten Konzerns. Ihre Tochtergesellschaften sind ihrerseits an weiteren Gesellschaften beteiligt.

Seit dem … ermittelt sie ihren Gewinn nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr vom 1.6. bis zum 31.5. des Folgejahres.

Im Streitjahr 2009 bestand eine ertragsteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin als Organträgerin und der A GmbH (A GmbH), der heutigen B, als Organgesellschaft. Die Klägerin ist an der A GmbH zu 100 % beteiligt.

Die A GmbH hielt wiederum 100 % der Anteile an der in Australien ansässigen C Ltd. (C Ltd.), einer Kapitalgesellschaft australischen Rechts. Die C Ltd. war die oberste Holdinggesellschaft für Asien und Australien und hielt als solche weitere Beteiligungen in dieser Region. Wegen der Beteiligungsverhältnisse im Einzelnen wird auf das von der Klägerin eingereichte Konzerndiagramm (Blatt 37 der Gerichtsakte) und das von der Betriebsprüfung erstellte Konzerndiagramm (Blatt 173 der Prüferhandakte I) Bezug genommen.

Von ihrer Tochtergesellschaft D Philippinen Inc. (D Inc.) erhielt die C Ltd. 2009 eine Gewinnausschüttung von … AUD (=… €).

Die C Ltd. schüttete im selben Jahr einen Betrag von … AUD (= …€) an die A GmbH aus. Neben dem von der D Inc. gezahlten Betrag erfolgte die Ausschüttung aus dem Gewinnvortrag, der sich über mehrere Jahre aufgebaut hatte.

Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der Klägerin behandelte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) den Dividendenertrag gemäß § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 (KStG 2002) als steuerfrei. Im Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2009 vom 22.9.2010 setzte das FA den Gewerbesteuermessbetrag unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 0 € fest. Den vortragsfähigen Gewerbeverlust stellte es mit … € fest.

Im Jahre 2012 führte das FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E bei der A GmbH bezogen auf die Jahre 2006 bis 2009 eine Betriebsprüfung durch. Die Prüfer vertraten in ihrem Bericht vom 1.6.2012, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, die Auffassung, die von der A GmbH bezogene Dividende sei auf der Ebene der Klägerin gemäß § 8b Abs. 1 KStG 2002 steuerfrei; 5 % der Erträge würden gemäß § 8b Abs. 5 KStG 2002 pauschal als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben dem Einkommen wieder zugerechnet. Auf der Ebene der Klägerin habe ferner eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG 2002 zu erfolgen. Diese Norm sehe zwar eine Ausnahme von der Hinzurechnung vor, wenn die Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG 2002 vorlägen. Die Ausschüttung der australischen C Ltd. erfülle jedoch nur zu einem geringen Teil die Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG 2002. Die Anforderungen des § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG 2002 seien nicht erfüllt. Die C Ltd. sei eine Holdinggesellschaft, die aus eigener Tätigkeit keine aktiven Einkünfte i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz –AStG–) erziele und deshalb keine sog. Funktionsholding i.S. des § 9 Nr. 7 Satz 1 Nr. 2 GewStG 2002 darstelle. Auch könne sie nicht als begünstigte Landesholding i.S. des § 9 Nr. 7 Satz 1 Nr. 1 GewStG 2002 qualifiziert werden, weil sie Beteiligungen an Tochtergesellschaften in mehreren Ländern außerhalb Australiens halte. Lediglich die durchgeleitete Ausschüttung der D Inc. falle unter § 9 Nr. 7 Satz 4 ff. GewStG 2002 (sog. Enkelprivileg).

Weiterhin könne die abkommensrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 22 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Australischen Bund zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei einigen anderen Steuern vom 24.11.1972 (Bundesgesetzblatt –BGBl– II 1972, 338) –DBA-Australien– nicht in Anspruch genommen werden, da das dazu vorliegende Protokoll einen sog. Aktivitätsvorbehalt beinhalte.

Die Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 5 GewStG 2002 ermittele sich wie folgt:

Berechnung der Hinzurechnung

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